Als Nicht-Rockstar stellt man sich das Leben auf Tour immer glamourös vor: Coole Hotelzimmer mit genügend Möbeln zum Zerlegen, überall Paparazzi und fragewütige Reporter, rote Teppiche, auf denen die Groupies Schlange stehen, und einfach jede Menge Sex, Drugs & Rock’n’Roll. Stimmt sicher auch – wenn man Evil Jared heißt oder Backstreet Boy oder Keith Richards.
Wenn man ein „Fuck“ im Bandnamen hat, sieht die Sache ein bisschen anders aus – aber um die Fragen kommt man dann auch nicht drum herum. So fing meine Geschichte mit The Fucking Buckaroos im März nämlich an.
Für das Rockabilly-Magazin DYNAMITE habe ich ein Interview mit vier der acht durchgeknallten Jungs aus San Francisco geführt. Ich fand heraus, dass sie die eigentlichen Erfinder des Banjo-Folk-Pop-Punk-Konzepts sind, mit dem mittlerweile Mumford & Sons europaweit Erfolge absahnen. Und dass sich um die Gründungsgeschichte der Cowboys (so lautet die korrekte Übersetzung des fucking Bandnamens) mindestens so viele Mythen ranken wie um Bob Dylan.
Wie oft wechselt Thom seine Socken, können Mumford & Co. überhaupt Banjo spielen und welche Lebensziele haben Ami-U30-Jungs – vier Seiten waren viel zu wenig für die running gags, die sich über anderthalb Stunden Skype-Gespräch quer über den großen Teich entwickelten. Deswegen habe ich mich besonders darauf gefreut, die Folk-Punks bei ihrer Deutschlandtour live und in Farbe kennenlernen zu können.
Bis dahin gab es aber erstmal noch mehr Fragen: Wie kommt man von der andere Seite der Welt an ein paar anständige Gigs? Zwar haben die Buckaroos ein deutsches Label, aber Out Of My Mind Records in Köln hat sich gerade erst gegründet. Also wurde mein Postfach zu einer weiteren Anlaufstelle für wo, wie und wer. Die Hauptarbeit hatte natürlich Held Phil von Out Of My Mind Records und über Nacht und Nebel stellte er schließlich eine dreiwöchige Tour quer durch Deutschland auf die Beine. Und für einen Abend in Berlin durfte ich die Buckaroos begleiten.
Hier spielen die Jungs zwar keine offizielle Show, aber Andy, Tim, Thom, Ricky, Robby, Travis, Rodrigo und der, dessen Namen ich mir einfach nicht auch noch merken kann, dürfen vor dem Coretex in Kreuzberg aufschlagen. Von ihrem Auftritt und ihren leidenschaftlichen russischen Fans gibt es ein kurzes Video bei Facebook – aber das aktuelle Video zu „Hatchet’s Wife“ verschafft einem noch einen sehr viel besseren Einblick in ihren Humor und Sound:
Danach fahren wir mit dem Tourbus zur Admiralsbrücke. Wer jetzt an Klimaanlage, gekühlte Softdrinks und einen Chauffeur mit Mütze denkt, liegt leicht daneben: Mit insgesamt 10 Leuten quetschen wir uns in einen klapprigen VW-Bus. Die Herren sind Gentlemen, also bekomme ich den Luxusplatz: vorn und am Fenster. Hinten sind die Buckaroos mitsamt ihrem kompletten Gepäck im Tetris-System geschichtet; in der Zwischendecke unter dem Dach befinden sich das Schlagzeug und alles sonstige Equipment.
Dass der Wagen röhrend beim ersten Versuch anspringt, wird frenetisch beklatscht. Während sich die altersschwache Mühle keuchend auf den Weg macht, vertreiben sich die Jungs die Fahrzeit abwechselnd mit Masturbationswitzen und spontanen Gesangseinlagen.
Auf der Admiralsbrücke parken wir kreuz und quer und bauen auf. Es beginnt zu regnen und außerdem wird die Brücke jeden Abend um 22 Uhr geräumt – also heißt es schnell sein. 2,5 Songs schaffen die Buckaroos – bis dahin haben sie eine ahnsehnliche Menschenmenge inklusive ihrer neuen russischen Freunde angezogen. Und zwei Polizisten, die dem Spaß ein Ende bereiten. Begründung: Das Schlagzeug sei zu laut. Mittlerweile regnet es ohnehin viel zu stark. Die Buckaroos stapeln sich in Rekordzeit mitsamt Gepäck und Instrumenten zurück ins Auto und wir fahren zu ihrem Hostel.
Zur Erinnerung: Es ist der letzte der Berliner Hundstage mit guten 35 Grad. Das Hostel ist der reinste Brutkasten, ebenso das 8er-Zimmer der Buckaroos. Als Erstens arrangieren vier von ihnen die Einrichtung komplett um, damit sich das einzige Fenster öffnen lässt. Randalieren kann man das aber nicht nennen und angesichts des Mobiliars wäre der Vorher-Nachher-Unterschied auch kaum erwähnenswert. Während die verschwitzten Herren brav abwarten, dass einer nach dem anderen duschen kann, lassen sie eine zerdrückte Lipton Ice Tea-Dose kreisen, die jeden von ihnen für ein paar Sekunden wie einen kranken Junkie erscheinen lässt – dabei ist sicher nur… Eistee drin. Wir sind ja nicht bei Rockstars, die sich pfundweise teures Zeug in die Nase dübeln. Sondern bei acht netten Jungs von Nebenan-Übersee, der der einzigen Frau immer den besten Platz und ihre einzige Jacke als Regenschutz anbieten, und sich einfach noch ein bisschen amüsieren wollen.
Das machen wir auch. Als die eine Hälfte der Mannschaft frisch geduscht und die andere immerhin frisch deodoriert ist, gibt es eine neue Lektion in Sachen deutsches Bier – und zwar im legendären Trinkteufel. Ich stelle fest, dass den Buckaroos „Weizen“ und „Kristall“ schon recht ordentlich über die Lippen geht – nur „Alster“ hakt noch ein bisschen.
Rote Teppiche werden überbewertet. Wozu will man Groupies, wenn man schon übers Masturbieren stundenlang Witze reißen kann? Wenn man Rock’n’Roll pur im Blut hat, geht’s auch locker ’ne Nummer schlichter. It was a pleasure to meet all of you guys! Next time we’ll get you the best show you ever had! Berlin is waiting for you.