Off With Their Heads-Frontman Ryan Young im Interview.

Die US-Punkrocker sind wieder unterwegs und geben in einer hippen Volksküchen-Kneipe in Berlin ihr zweites Tourkonzert. Vorher sitze ich mit Mastermind Ryan Young in einer Bäckerei, um über Songwriting, Touring und das neue Album zu plaudern. Außerdem verrät Ryan das Geheimnis seiner beschränkten Gitarrenkünste und entpuppt sich am Ende selbst als Fan.

Off With Their Heads (c) Tony Nelson

Off With Their Heads (c) Tony Nelson

Starten wir mit den Basics: Wie fing alles an mit OWTH?  

Ryan: Ich habe die Band 2002 gegründet, es sind auch alles meine Songs. Robbie, der Bassist, ist jetzt am längsten mit dabei – seit 5 oder 6 Jahren. Ursprünglich begann alles in Minneapolis, aber mittlerweile lebt da keiner mehr von uns. Ich wohne in L.A., Robbie, der Bassist, lebt in New York, der Drummer kommt aus New Jersey and Vic, der Gitarrist in Denver. Wir treffen uns also nur, um Musik zu machen, und weil ich diesmal meinen Flug nach New York verpasst habe, haben wir letzte Nacht in Hamburg gespielt, ohne jemals zusammen geprobt zu haben. Der Gitarrist ist nämlich noch ganz neu.

Ihr habt also einmal mehr das Line-up auf den Kopf gestellt, hat es denn funktioniert?

Ryan: Ja, wir machen das ständig. Dabei hatte Vic eine ganze Reihe Songs noch nie vorher gespielt. Aber es war super, es hat sich keiner beschwert so wie man es eigentlich von den Deutschen erwartet. (lacht) Es gibt nämlich diesen Witz unter amerikanischen Bands, dass wenn du in Deutschland spielst, hinterher nichts mehr so gut sein wird, wie es vorher war.

Eure Texte drehen sich ebenfalls darum, dass nichts gut ist und erst recht nicht bleibt. Wann hast du mit dem Songwriting angefangen?

Ryan: Meinen ersten Song… das hab ich noch niemandem erzählt, glaube ich… habe ich geschrieben als ich ungefähr 8 war. Ich erinnere mich nicht mehr genau, aber es hatte etwas mit einer Fahrt im Heißluftballon zu tun. Es hat keinen Sinn ergeben, aber ich wünschte, ich hätte das noch. Ich wollte schon immer mal Heißluftballon fahren, und irgendwann ist mal einer in unserem Hinterhof abgestürzt. Vielleicht kam die Idee daher.

In deinen Texten geht es auch heute meistens noch ums Abstürzen.

Ryan: Ja, das stimmt allerdings. (lacht) Die ersten Songs dieser Art habe ich so etwa mit 15 geschrieben. Und einen davon spielen wir immer noch, was ziemlich cool ist. Er heißt „Theme Song“. Allerdings habe ich die Lyrics geändert, denn die waren wirklich bescheuert.

Den Ausdruck könnte man ja auch fast auf eure Videos anwenden. Wie passt das eigentlich zusammen: Todtraurige Texte, gutgelaunte Musik und dazu diese völlig durchgedrehten Musikvideos?

Ryan: (lacht) Ich fand Musikvideos schon immer blöd, also wollten wir, dass unsere so richtig blöd sind. Das war zumindest das Ziel. Es gibt aber auch eins, das das Label bezahlt hat und ich find’s bescheuert: ‚Hier macht die Band Musik’. Blöd. Wenn du das sehen willst, sollst du nicht zuhause bleiben und bloß ein Video angucken! Immerhin hat OWTH selbst wie ein Witz angefangen… Die Idee und auch auf der ersten Single waren richtig lange Stücke, langsam und dramatisch, mit Orgel und allem. Wir haben vier dieser Songs gemacht und konnten dann kein einziges mehr zustande bringen. Es hat nicht mal Spaß gemacht! Also haben wir angefangen, einfach dumme Punk-Pop-Songs zu schreiben, und damit ging alles los. Es sollte ein bisschen anders sein und mir gefällt es. Diese catchy Melodien sind eben das genaue Gegenteil von dem, womit wir angefangen haben. Aber es funktioniert, die Leute mögen es und wir haben Spaß.

Aber trotz Spaß bleiben die Texte traurig und pessimistisch.

Ryan: Sie sind pessimistisch, weil ich absoluter Pessimist bin. Alles ist schlecht. Immer. (lacht)

(c) Epitaph Records

(c) Epitaph Records

Zumindest euer Bandname ist doch gar nicht so übel. Wie seid ihr drauf gekommen?

Ryan: Witzig, das hat mich neulich schon mal jemand gefragt. Ich hab’s erklärt und die Reaktion war nur ein „was? wer?“, weil hier scheinbar niemand Cheech & Chong kennt. Es gibt diese Serie „That 70’s Show“ und Tommy Chong spielt da mit. Wir haben in der Zeit ziemlich viel Gras geraucht und saßen bloß rum und haben in die Glotze geguckt. Ich mochte das nicht mal (lacht), aber wir haben es eben geguckt und dabei wir nach einem Bandnamen gesucht. Und dann sagte er plötzlich: „Off with their heads, man“ und das hat mir gefallen. Ich konnte kaum glauben, dass noch keiner das benutzt hatte! Es gab eine Band in Portland, die sogar eine Platte hatten, aber die haben sich aufgelöst und es kamen keine Klagen…

Die Kaiser Chiefs hatten ein Album, das so hieß.

Ryan: Ja, das kam später. Haben sie bestimmt von mir geklaut…

Welche Köpfe sollten deiner Meinung nach denn rollen, wenn wir schon dabei sind?

Ryan: Wenn du mich das vor ein paar Jahren gefragt hättest, hätte ich eine gute Antwort parat gehabt, aber heute ist mir das alles egal. (lacht) Ich hab mit meinem eigenen Zeug und der Musik zu tun, und ich hab’s gern so undramatisch wie möglich. Wenn ich das trotzdem beantworten muss, würde ich sagen: mein eigener Kopf. (lacht)

Nach dem geht es ja bei OWTH auch. Hast du jemals einen normalen Job gehabt?

Ryan: Ich habe immer nur für mich gearbeitet. Bevor die Band kam, hatte ich meine eigene Malerfirma. Ich hab seit 10 Jahren keinen  Job mehr gehabt oder für irgendwen gearbeitet. Na ja, ich bin auch 10 Jahre lang ziemlich klamm gewesen, aber das ist okay.

Diese 10 Jahre habt ihr überwiegend auf Tour verbracht. Was gefällt dir daran? Gefällt es dir überhaupt noch?

Ryan: Ich mag es immer noch. Allerdings haben wir die letzten drei Jahre abwechselnd immer 2 Monate unterwegs und 2 Wochen zuhause verbracht. Es war toll und wir hatten Spaß, aber… ich habe meine Freundin zuhause, die ganze Zeit seit 4 Jahren, und da ist es ganz schön hart, so lange weg zu sein. Aber so läuft es eben. Ich mag es nicht, nichts zu tun zu haben. Manche Leute denken, auf Tour sein wäre eine einzige Party, aber das stimmt nicht. Man hängt eine Menge rum, schnippst mit den Fingern und wartet drauf, dass irgendwas passiert. Aber man gewöhnt sich dran. Und ich habe keine Ahnung, was ich sonst tun sollte, also mache ich weiter. (lacht)

Was war der beste Auftritt, den ihr jemals hattet?  

Ryan: Von uns? … das ist komisch, ich erinnere mich nie an die lustigen Sachen. Vielleicht ist das mein Problem, aber ich erinnere mich immer nur an die Reinfälle. Aber einmal waren wir mit Sam I Am unterwegs, einer meiner Lieblingsbands. Sie sind der Grund, warum ich meine Band gegründet habe. Das war ziemlich cool – sie sind wie 10 Jahre ältere Versionen von uns. 40 Jahre alte Kinder. (lacht) Die ganze Tour hat echt Spaß gemacht.

Weil ihr euch mit der anderen Band gut verstanden habt?

Ryan: Ja, davon hängt viel ab. Die Shows sind meistens gut, egal, was passiert. Wir sind mit vielen Bands getourt, zum Beispiel auch mit Bad Religion, aber… sie waren nicht fies oder so was, aber sie hängen einfach nicht rum. Man sieht sie praktisch nie. Die Dropkick Murphys dagegen sind richtig cool. Und Against Me sind super. Sie waren die Ersten, die uns mit auf Tour genommen haben und jetzt gehen wir zusammen nach Australien, nachdem wir gerade dieselbe Dropkick-Murphys-Tour gemacht haben. Tom Gabel hat schon gesagt, dass er es satt hat, mein Gesicht zu sehen (lacht)

(c) Epitaph Records

(c) Epitaph Records

Ryan greift nach seinem Kaffee und nimmt einen Schluck.

Ryan: Es nervt, aber ich kann nicht mal den Kaffeebecher halten, weil meine Hände so zittern, hast du das gesehen? Ich weiß nicht, was da nicht stimmt, aber ich habe das, seitdem ich klein war, und es ist der Grund dafür, warum ich nicht gerade besonders gut Gitarre spielen kann! Ich kann Dinge nur eine Sekunde festhalten und dann geht’s los, es ist schrecklich. (lacht)

Hast du denn schon mal andere Instrumente versucht?

Ryan: Ja, ich spiele Drums, Bass und Klavier. Nicht besonders gut, aber ich kriege es hin. Wenn für unsere Songs irgendwas Zusätzliches aufgenommen werden muss, dann spiele ich das eigentlich immer.

Ihr habt noch nicht allzu viele Alben veröffentlicht, würdest du OWTH eher als Live- denn als Studio-Band bezeichnen?

Ryan: Neben den drei Alben haben wir etwa 22 Singles, wir bringen davon alle paar Monate eine neue raus, nur in der letzten Zeit nicht, weil wir so viel auf Tour waren… Also sind wir wohl eher eine Live-Band. Das hat mehr mit Energie als mit Können zu tun. Ich weiß, jeder sagt, wir wären gut, aber ich find’s nicht.

Das dürfte wohl dein Pessimismus sein. Aber gibt es vielleicht Gutes über die Zukunft zu berichten? Habt ihr Pläne?

Ryan: Wir werden im Juli endlich ein neues Album aufnehmen, mit Bill Stevenson von Descendents, was bestimmt cool wird. Auch wenn wir noch keinen einzigen Song haben.

Du meinst, du hast noch nichts dafür geschrieben?

Ryan: Ja, deswegen wollten wir eigentlich auch nicht so viel touren. Normalerweise sind wir ja ständig unterwegs, aber das letzte Mal war im Dezember und dann musste ich am Hals operiert werden. Gestern habe ich zum ersten Mal wieder gesungen und es hat geklappt. Das ist gut, aber vorher hätte ich mich hinsetzen und schreiben sollen. Aber ich hab’s nicht gemacht. Wir schreiben die Songs also mal wieder 2 Wochen, bevor wir ins Studio gehen. Mir gefällt das nicht, aber so läuft es eben immer. (lacht)

Arbeitest du am besten unter Druck?

Ryan: Ja, genau. Ich habe jetzt ungefähr sechs Ideen, was ein guter Anfang ist, aber wenn es soweit ist, werd ich wohl noch mal alles umschmeißen. Aber die Songs, die die Leute am meisten mögen, wurden sowieso alle im Studio geschrieben, also mache ich mir keine Sorgen. (lacht) Mit dem neuen Album kommen wir im August dann zurück nach Berlin, zusammen mit Boys Sets Fire.

Ryan Young (c) Tony Nelson

Ryan Young (c) Tony Nelson

Welche Art von Musik horst du selbst am liebsten?

Ryan: Ich höre eigentlich nur drei Sachen. Ich mag The National und ich mag Metal. Na ja, eigentlich jede Art von Musik, solang sie nur gut ist. (lacht) Das ist der Grund, warum ich viele Punkbands nicht mag, weil sie einfach immer gleich klingen. Und laut vor allem. Aber ich mag gute Melodien und kluge Texte. Was daran nervt, ist, dass wir auch so klingen, ich kann’s eben auch nicht besser. Ich werde versuchen, das neue Album ein bisschen anders zu machen, wenn auch nur rein bisschen. Mal sehen, ob’s klappt.

Also hörst du Metal und The National und …?

Ryan: Viele meiner Freunde haben Bands, da gibt es zum Beispiel The Arrivals aus Chicago, die haben einen der besten Songs, den ich jemals gehört habe. Er heißt ‚Simple Pleasures in America’ und er dreht sich darum, dass ein Freund ihn fragte, warum alle ihre Lieder so traurig wären und weshalb sie niemals etwas Fröhliches schreiben würden. Sonst machen sie nur trauriges Zeug, aber dieser ist richtig happy und wirklich gut. Das ist alles, was ich zur Zeit höre – und die Beatsteaks! Ich liebe diese Band, seitdem ich sie vor einem halben Jahr entdeckt habe. Ich wusste nicht mal, dass sie so bekannt sind!

Ja, die haben sich in den letzten Jahren ganz schön rausgemacht.

Ryan: Ich habe über unser gemeinsames Label Epitaph von ihnen gehört. Dieser Bandname ist so seltsam, dass ich mich da nie rangetraut habe, aber dann hat unser Fahrer ‘Living Targets’ immer und immer wieder gespielt, und da hat’s mich erwischt. Sie sind aus Berlin, oder? Das ist wirklich cool… Kennst du dieses eine Musikvideo von ihnen, in dem man online mitspielen konnte? Ich hab das gemacht und das war echt witzig. Ich höre die ständig, ich mag einfach, dass sie hinter ihrer Musik stehen. Aber ich hab gehört, dass die neuen Alben nicht mehr so gut sein sollen, zumindest hassen meine deutschen Freunde sie allesamt… aber na ja, irgendwem scheinen sie ja immer noch zu gefallen. (lacht) Also, das war’s! Insgesamt vier Sachen, mit den Beatsteaks.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg mit dem neuen Album!

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