Das letzte Schnapszahldatum unserer Zeitrechnung und der zweite Abend Freischlader in Folge: Der junge Retter des Blues – oder zumindest sein bekanntester deutscher Vertreter – gibt eines der letzten Konzerte auf der 57-Gigs-Knochentour zu „House in the Woods“.
Ist Henrik Freischlader an diesem zweiten Berliner Abend müde? Alte Hasen im Saal behaupten: Er musste sich erst berappeln. Als Freischlader-Konzerteinsteiger merkt man davon nichts, als er mit seiner Band die Bühne betritt und angenehm unaufgeregt mit „1999“ einsteigt.
Die Stimme sitzt, die Finger sind flink auf den Saiten unterwegs und gute Laune bringt er auch noch mit, der Freischlader. Understatement dürfte dabei das Motto des Abends sein – Realtone statt Marshall-Verstärker, und statt großer Reden wird zwischen den Songs mal ein Wasserflaschenetikett samt Barcode vorgelesen, mal wenige Worte über das neue Album eingestreut. Vor allem wird gespielt.
Natürlich hauptsächlich Material von der aktuellen Scheibe – spätestens bei der Zugabe werden daher vehemente Rufe nach älteren Stücken laut, die es bis auf (das auch noch nicht allzu bejahrte Stück) „The Bridge“ samt bewährtem Wuhuu-Saalgesang leider nicht gibt.
Aber „House in the Woods“ allein bietet mit seiner breiten Palette von Reggaeeinschlag („Take The Blame“) bis zu poppigeren Tendenzen in „Stop Breaking My Heart“ eigentlich auch jede Menge Stoff zum Zuhören. Und mit einem der Spezialtricks, einer der Lieblingsstellen des Publikums – nämlich, wenn das Gitarrensolo in „Breakout“ immer leiser und leiser wird, um dann gewaltig und kraftvoll in „Killing In The Name Of“ von Rage Against The Machine umzuschlagen, ist auch eine gute Portion Tradition und Power dabei. Von Müdigkeit ist spätestens hier keine Spur mehr.
„Jetzt macht er wieder auf Hendrix“, hört man dann zwischendurch von den alten Hasen, aber das ist wohl als Kompliment zu verstehen. Niemand hier ist Hendrix, aber auf Hendrix machen kann sich der Hendrik wohl erlauben. Und alles in allem macht dieser Abend Freischlader-Neulingen wie altgedienten Bluesmen Spaß. Liegt wohl eben auch am Understatement und der Spielfreude, das die ganze Band mit Moritz ‚Mo’ Fuhrhop am Keyboard, Theofilos Fotiadis am Bass und Björn Krüger hinter der Schießbude ausstrahlen. Unaufgeregt, manchmal schmerzvoll und oft trotzdem tanzbar – Blues eben.
Am Ende gibt es nach der Forderung „Mach mal was kaputt!“ noch zwei Zugaben. Auf Hendrix machen: ja; aber der randalierwütige Townshend gehört scheinbar nicht zum Repertoire. Also: Es gibt mit „Come Together“ ein aufgebluestes Beatles-Cover und danach „Won’t You Help Me“. Viel zu wenig, finden die Alten: „Jetzt ist er berühmt und hat’s wohl nicht mehr nötig, früher hat er ’ne Stunde drangehängt!“
Auch irgendwie ein Kompliment, denn von diesen schnellen Fingern und dem Sound hat man auch nach knapp zwei Stunden einfach noch nicht genug.
Setlist:
1. 1999
2. Take The Blame
3. Nowhere To Go
4. I Loved Another Woman
5. Stop Breaking My Heart
6. Longer Days
7. The Bridge
8. Two Young Lovers
9. Sisters
10. Breakout
11. Hear You Talking
12. With The Flow
13. House In The Woods
Encore:
14. Come Together
15. Won’t You Help Me