Motörhead mit Anthrax-Support im Velodrom, Berlin am 05.12.2012,

Warum werfen Konzertbesucher eigentlich immer so gern ihre Trinkbecher Richtung Bühne? Oder genauer: Warum werfen Motörhead-Konzertbesucher ihre Trinkbescher besonders gern auf Lemmy, und warum mag der das als Einziger so gar nicht?

Lemmy Kilmister.

Lemmy Kilmister.

Motörhead sind bekannt für extreme Lautstärke und extremes Publikum. Kuttenträger, Stiernacken, langhaarige Truckerbartträger, soweit das Auge blickt. Wenn sich bei Rock-Konzerten eine verpflichtende Frauenquote im Publikum durchsetzen würde, müsste die lauteste Band der Welt mit einem Anteil von unter 5% wohl in Zwangsrente gehen.

Aber erst mal sind die Metaller von Diaries Of A Hero aus London dran. Trinkbecherflugfrequenz: eher niedrig; ebenso die Lautstärke. Danach legt der Soundcheck für Anthrax die Messlatte ein paar Dezibel höher, und als Scott Ian & Co. dann richtig abgehen heißt es sofort: Frequenz steigend. Und zwar nicht nur an der Trinkbecher-Weitwurf-Front. Auch die ersten Ohrstöpsel werden gezückt, während unten Sänger Joey Belladonna die Haare schüttelt und seine Stimmlage in ungeahnte Höhen turnen lässt.

One to Ronnie James Dio and one to the motherfuckin‘ Motörhead – Anthrax spielen eine gute Stunde und eigentlich sind sie sehr viel mehr als eine Vorband. Das Publikum feiert und singt mit, die Trinkbecher fliegen – und in der Pause vor Motörhead wird neidlos anerkannt, dass Belladonna besser singt als Lemmy. Tatsache. Was wäre mehr zu wollen?

Dann endlich ist Motörhead-Zeit. Mikkey Dee, Wizzo Campbell und Mr. Kilmister lassen sich auch nicht lange bitten, nicht mal die obligatorische volle Stunde warten sie ab – und um 20.45 geht es los. Oder sollte es losgehen, wenn da nicht dieses Trinkbecherwerfen wäre: Der erste Becher rollt direkt vor Lemmys Füße. „One more and I leave, ok?“ … kaum ausgesprochen da kommt er schon – one more, und Lemmy geht. Tatsächlich. Licht aus, Bühne leer. Ups! Und nun? Verdutztes Schweigen. Mit seiner Rückkehr passt Lemmy genau den Moment ab, in dem der Schrecken noch anhält und wird richtig pädagogisch: „I tell you, if you see somebody doing that again, you slap that motherfucker because he’s stopping the show, ok?“

Unbeeindruckt wird danach die Setlist abgearbeitet und über „Metropolis”, ”Over The Top”, „Rock It“ bis zu “The Chase Is Better Than The Catch” arbeitet sich die Band auf Betriebstemperatur und lässt nicht nur die Trommelfelle in Mikkey Dees Double-Bass-Drum vibrieren. Hallo, Ohrstöpsel!

Auf der Bühne flitzen die Roadies derweil wie die Balljungen nach den kontinuierlich heranfliegenden Bierbechern. Da hat Motörhead definitiv das höchste Aufkommen zu verzeichnen und könnte ordentlich was dazuverdienen, aber sonst haben entweder Anthrax bereits alle Hörnerven nachhaltig geschädigt – oder Motörhead sind diesmal nicht everytime louder than everything else. Die Schädelplatte vibriert zwar, aber im riesigen Velodrom verliert sich der Sound doch irgendwie. Es kommt also nicht immer auf die Größe an, denn ursprünglich war die Show wie auch in den letzten Jahren für die Columbiahalle geplant.

Aber Spaß macht es trotzdem und auch Lemmy & Co. scheinen in Berlin Spaß zu haben, denn Mr. Kilmister wird beinahe redselig. Was schön ist, auch wenn man dank seines stimmlichen Bourbon-Sounds maximal die Hälfte versteht.

Weiter geht es mit “Rock It”, “You Better Run” und meiner persönlichen Lieblingsstelle bei jedem Motörhead-Konzert: Mikkey „das Tier“ Dee beim neverending Drum-Solo von “The One To Sing The Blues”. Das niemals lang genug sein kann, wenn seine weißgrauen Haare fliegen und tanzen und er hinter seiner Scheißbude tobt wie ein Berserker. Es folgen noch “Going To Brazil”, “Killed By Death” bei dem Mikkey Dee seinen gesamten Vorrat an Drumsticks in den Backstagebereich feuert, und dann folgt schon “the last song for tonight“: „Ace of Spades“ mit meinem zweiten Lieblingsmoment: „We are Motörhead and we played Rock’n’Roll!“

Gemeinsam mit Anthrax gibt es noch eine Zugabe, dann geht der Hagel von Drumsticks diesmal auf das Publikum nieder und damit ist nun wirklich Schluss. Mikkey Dee & Co. verbeugen sich artig und können sich noch nicht ganz trennen, aber wenn die Hallenmusik einsetzt, ist eben doch alles vorbei. Zumindest für diesen Abend und auch noch nicht ganz, denn das Piepen im Ohr bleibt einem bis in den nächsten Tag hinein erhalten. Nur das Pfandgeld ist weg. Ab in die Bourbon-Kasse damit, Lemmy sollte sich freuen.

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