Every Time I Die und Cancer Bats im Interview.

Wenn Liam Cormier und Keith Buckley für ihre Bands auf der Bühne stehen, geben die Stimmbänder ihr Letztes und flattern die Trommelfelle. Im Interview zeigt sich, dass die tobenden Berserker abseits des Scheinwerferlichts sonnigste Gemüter haben. Fazit: Positives Denken und Meditation rocken, und es ist besser, sich auf der Bühne zu übergeben als eine halbherzige Show abzuliefern.

Stellt euch doch einmal kurz vor.

Liam: Ich heiße Liam, ich lebe in Toronto und ich bin Sänger der Cancer Bats.

Keith: Mein Name ist Keith und ich singe bei Every Time I Die.

Cancer Bats (c) Starkult Promotion

Cancer Bats (c) Starkult Promotion

Wo kommt ihr her und wie hat alles angefangen?

Liam: Wir kommen aus Kanada und haben uns kennengelernt, während wir alle in unterschiedlichen Hardcore-Bands spielten. Scott und ich haben die Band dann aus Spaß gestartet, aber sie hat schnell an Popularität gewonnen und so haben wir 2005 beschlossen, daraus einen Fulltime-Job zu machen. Jetzt bringen wir grad unser viertes Album heraus, und ich bin immer noch begeistert.

Keith: Wir sind alle aus Buffalo, New York, und die Band entstand 1998. Mein Bruder Jordan und ich haben sie gegründet, dazu kam unser Gitarrist, und dann hatten wir zuerst einen richtig schlechten Drummer, an dem wir echt keine Freude hatten, aber er war eben der Einzige, der verfügbar war. Unser jetziger Bassist ist derselbe, den wir damals hatten: Der Vorige hat die Band vor zwei Monaten verlassen und da haben wir unseren alten Freund Stephen zurückgeholt. Aber wir haben einen neuen Drummer, frisch aus Kanada. Mit dem passt es, wir verstehen uns super.

Wie seid ihr auf euren Bandnamen gekommen?

Liam: Ich war arbeiten und habe überlegt, aus Spaß eine Band zu gründen, also habe ich zum Zeitvertreib Wörter kombiniert, Krankheiten und Tiere. Ich wusste, ich wollte einen guten Hardcore-Rock’n’Roll-Namen und Cancer Bats gefiel mir, weil es so nach 80er-Horror-Movie klingt.

Keith: Das ist ja schon ewig her! Ich glaube, jemand sagte es, vielleicht war es eine falsch verstandene Zeile aus einem Song, und wir dachten, das sei ein cooler Name. Heute würde ich meine Band nicht mehr so nennen, aber jetzt ist es zu spät. (lacht)

Welcher Song war für eure Band am wichtigsten? Gab es einen, der die Gründung veranlasste, euren Stil geprägt oder verändert hat?

Liam: Es gab eine Menge wichtiger Songs, aber ich denke, unser Größter ist „Hail Destroyer“. Bevor dieser Song auf einem Album erschien, war er im Internet zu hören und die Leute sind richtig darauf abgegangen. Wir haben noch andere Sachen wie „French Immersion“ oder „Pneumonia Hawk“, aber bei diesem hat man von Anfang an gemerkt, dass da etwas läuft. Wir hatten eine Million Klicks auf Youtube damit und es ist unser bekanntester Song. Das zweite wichtige Stück ist das Sabotage-Cover, das wir gemacht haben. Das war eine große Sache und die Leute sind verrückt danach, obwohl wir das gar nicht erwartet hatten. Wir haben das bloß aus Spaß gemacht.

Keith: Schwierige Frage… Ich glaube, die Band verbindet die gemeinsame Leidenschaft für Bands wie Panterra, Metallica oder Deftones. Andy stand schon immer auf Metal, Jordan kennt sich im Pop Punk aus, und ich mag Rage Against The Machine, Faith No More, Ruby… Man kann nicht sagen, dass es nur einen Song gab, der uns geprägt hat. Es war die Liebe zu den gleichen Bands, aber je mehr Einflüsse man sammelt, desto größer ist die Chance, dass man selbst auch gute Musik macht.

Welchen Song würdet ihr auf eurer Beerdigung hören wollen?

Liam: Oh Scheiße, keine Ahnung! Doch, ich hätte gern Biz Markie mit „Benny And The Jets“. Er hat das für die Beastie Boys gecovered. Ich habe das einmal live und das war das Größte, was ich bis jetzt erlebt habe. Wenn Biz Marquee das auf meiner Beerdigung singt, werde ich weinen, wo auch immer ich dann sein werde.

Keith: Auf meiner Beerdigung würde ich gern „Humpty Dance“ hören. Das ist ein guter Song, da hätte ich Spaß dran.

Every Time I Die (c) Starkult Promotion

Every Time I Die (c) Starkult Promotion

Um mal vom Sex-Drugs-Rock’n’Roll-Klischee wegzukommen: Wie wichtig sind Spiritualität und ein reiner Geist für euch?

Liam: Redest du von Meditation? Damit haben wir bloß Spaß gemacht. (lacht) Aber ich glaube, wir sind tatsächlich das Gegenteil von Sex, Drugs, Rock’n’Roll. Zwei von uns gehören zur Straight Edge, einer ist seit kurzem trocken und Mike trinkt zwar Alkohol, aber nicht viel. Spiritualität bedeutet mir nicht so viel, aber ein klarer Kopf und positives Denken sind wichtig. Es dreht sich alles um positives Denken, denn darum machen wir das hier alles: Um eine gute Zeit zu haben

Keith: Spiritualität ist in letzter Zeit ein wichtiger Teil meines Lebens geworden. Vorher war es das nie, aber dann habe ich Matt Skiba von Alkaline Trio auf einer gemeinsamen Tour kennengelernt, und er hat mir gezeigt, wie sehr Meditation das Leben verändern kann. Meine Mutter interessiert sich zwar schon immer dafür, aber ich hatte es nie zuvor versucht. Ich hatte diese negative Lebenseinstellung, aber dann habe ich angefangen, mich mit Meditation zu beschäftigen und es auch zu praktizieren. Ich habe eine Menge Selbsthilfebücher gelesen und so. Ich trinke zwar immer noch Alkohol, obwohl ich weiß, dass ich das auch lassen sollte, aber Spiritualität ist mir wirklich wichtig geworden. Es räumt meinen Kopf auf und hilft mir, nicht mehr ständig so aggressiv zu sein.

Welches Talent beneidest du am meisten?

Liam: Es gibt viel, was ich nicht kann. Ich wünschte, ich könnte Gitarre spielen, aber ich bin ein leidlicher Drummer und das reicht mir. Vielleicht ist es auch gar nicht so gut, immer etwas zu wollen, was man nicht haben kann. Das hemmt einen nur. ich würde mein jetztiges Leben für nichts aufgeben wollen. Aber… ich wünschte, ich wäre der Teleportation fähig. Dann könnte ich meine Freundin öfter sehen, denn sie fehlt mir oft. (lacht)

Keith: Klavierspielen! Das würde ich gern können. Ich hab’s versucht, aber es geht nicht. Dabei gab es ein Klavier in meinem Elternhaus. Mein Vater war Musiker, er hat auch gespielt und versucht, es mir beizubringen. Aber ich wollte lieber Skateboard fahren und all den anderen Teenagerscheiß machen. Und jetzt bin ich vermutlich zu alt, um es zu lernen.

Nennt drei Bestandteile einer erfolgreichen Tour.

Liam: Als 1. musst du deine Band mögen, das ist wirklich wichtig. Viele Bands, die nicht miteinander klarkommen, haben eine miese Zeit auf Tour. 1. Du musst die Band mögen, mit der du unterwegs bist. Auf dieser Tour ist es super, wir sind alle Kumpels, hängen zusammen rum, die Shows sind super und wir haben Spaß. 3. Eine gute Unterkunft. Das ist wichtig, denn von der Fahrerei kriegt man manchmal richtig schlechte Laune, und wenn du dann auch noch müde bist, kannst du zwar dein Bestes versuchen, aber du bist einfach fertig. Manchmal fahren wir 17 Stunden am Stück, aber diese Tour ist zum Glück easy.

Keith: Du musst lernen, nicht alles persönlich zu nehmen. Wenn man fünf Typen in eine Band oder einen Bus steckt, benimmt sich jeder, wie er ist – und zwar nicht, um dich zu ärgern. Das muss man immer im Hinterkopf behalten. Außerdem muss man Zeit allein zu schätzen wissen, denn davon kriegt man nicht viel. Und wenn man sie hat, muss man mit sich selbst klarkommen. Denn es kommt immer der Moment, wenn man die anderen nicht mehr ertragen kann und raus muss. Wenn man sich selber dann nicht leiden kann, gibt’s keine Rettung vor den anderen. (lacht)  Das Dritte ist ein Hobby. Man hat so viel Zeit zwischendurch, dass man unbedingt etwas braucht, womit man sich beschäftigen kann. Manche Leute lesen, andere schreiben oder zocken Videospiele. Man braucht einfach was zu tun. Ich lese die ganze Zeit und ich habe angefangen, mich mit Musikprogrammen zu beschäftigen.

Was würdet ihr niemals auf der Bühne tun? Was ist euch schon passiert?

Liam: Ich würde niemals bei einer Show auftauchen und nur 80% geben. Wenn ich Bands so was machen sehe, nervt mich das richtig. Denn dafür tue ich es doch! Ich muss alles geben, weil die Leute genau dafür kommen! Es ist arrogant, das nicht mit 100% Einsatz zu danken. Das ist mir echt wichtig und für weniger verschwende ich meine Zeit nicht. Ich würde gern sagen, dass ich das noch nie getan habe – außer bei den Shows, wo ich krank war. Und selbst dann fühle ich mich schlecht, weil ich nicht so ausflippen kann, wie ich gern würde. Ich hasse es krank zu spielen, weil man weiß, dass man es besser kann. Und trotzdem merkt es keiner, alle sagen „wow!“ und dabei weißt du genau, dass du mehr kannst, wenn du nicht grad am Sterben bist. (lacht)

Keith: Ich glaube, ich würde niemals mein Shirt ausziehen. (lacht) Ich habe das gemacht ich noch schlanker und jünger war, aber jetzt würde ich das nicht mehr tun. Aber es kam schon vor, dass ich mich übergeben musste, weil einem manchmal auf der Bühne das Essen hochkommt. Aber wenn das passiert, muss man es halt so aussehen lassen, als wäre es gewollt – dann ist es cool, selbst wenn du eben kotzt. Aber ich hoffe, dass ich mir nie auf der Bühne in die Hosen scheißen oder pinkeln muss. (lacht)

Wenn Aliens auf der Erde landen würden, welchen Song würdet ihr ihnen vorspielen? Entscheidet, ob ihr die Erde damit retten oder der Zerstörung preisgeben wollt.  

Liam: Heilige Scheiße! Ich will nicht, dass sie die Erde zerstören! Ich stehe auf die Erde! (lacht) Ich glaube, ich würde Rage Against The Machine für sie spielen, weil sie die größte Band unserer Zeit sind. Das würden die Aliens merken und sich dafür entscheiden, dass sie die Erde nicht zerstören sollten.

Keith: Muss ich einen unserer Songs aussuchen? Okay, dann würde ich etwas von Cannibal Corpse oder etwas in der Art spielen, damit klar ist, dass die Zerstörung nicht leicht werden wird. Das wird ihnen Angst machen und uns die Chance zur Verteidigung geben.

Irgendwelche letzten Worte an Berlin?

Liam: (auf deutsch) Ick liebe disch, Berlin! Dieser Platz ist einfach der Beste! Dieses Restaurant am Club Magnet, der Magnet natürlich, der Plattenladen Bis auf’s Messer – meine absoluten Lieblingsplätze auf der ganzen Welt. Und Club Mate! Ich liebe das Zeug, aber ich kann es nirgendwo sonst bekommen. Ich würde sofort nach Berlin ziehen, wenn meine Freundin mitkäme.

Keith: Berlin war schon immer einer unserer Lieblingsorte in Deutschland. Denn selbst in Zeiten, als uns hier keiner mochte und wir bei manchen Shows für vier Leute oder so gespielt haben, haben die Berliner uns immer unterstützt. Wir lieben es, hier zu spielen.

Dann wünsche ich euch viel Spaß bei der Show und vielen Dank für eure Zeit!

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