Meine Oma ist wie wohl die gesamte Kriegsgeneration sehr sparsam. „Das kann man doch noch gebrauchen!“, ist der Ausruf, mit dem man sie bei ‚Was bin ich?‘ einwandfrei charakterisieren könnte.
Nun ja. Bei leeren Zigarrenschachteln für meinen Puppenkrimskram, Gemüseresten für die Sonntagssuppe und alten Vorhängen zur Abdichtung von Türritzen geht das ja auch noch an. Bei Küchenpapierpapprollen und Kaffeesatz („Der ist für die Rosenbeete!“) scheiden sich dann schon die Geister. Doch die größte Sammelleidenschaft meiner Oma gebührt Papierservietten: Wer im Restaurant die Frechheit besitzt, seine Serviette zu benutzen und sie danach vor allem zum Abräumen bereit auf dem abgegessenen Teller platziert, der gehört quasi gesteinigt.
Also sehen wir brav zu, dass wir manierlich essen, damit die Schnute sauber bleibt, und nach dem Dessert sammelt Oma die Servietten ein. Unauffällig unter dem Tisch, natürlich, soll ja nicht aussehen, als hätten wir das nötig.
Tatsächlich braucht meine Oma wirklich keine neuen Papierservietten. Davon hat sie schränkeweise, mit Motiven für jede Jahreszeit und für jeden Anlass. Was sie braucht, sind Second-Hand-Servietten. Und für alle, die sich jetzt fragen, wieso: Sie putzt damit den Herd. Und zwar leidenschaftlich, denn sie ist nicht nur sparsam, sondern auch sehr reinlich.
Diese Kombination von Leidenschaften sorgt bei Familienessen in Restaurants üblicherweise für spöttische Sprüche. Doch an dem Tag, als meine Oma von einem Freund der Familie frische Pepperoni geschenkt bekam, wurde sie auch zum Verhängnis.
Meine Oma freute sich über die Pepperoni, doch sie isst nicht besonders gern scharf. Um die liebgemeinte Gabe trotzdem verwenden zu können, beschloss sie, die Kerne zu entfernen – denn in denen steckt ja bekanntermaßen die meiste Power. Sie halbierte die roten Schoten also und schabte die Kerne sorgfältig auf ein Küchentuch. Nach getaner Arbeit entsorgte sie die Kerne; das Tuch – man ahnt es bereits – wurde dem Stapel Herdputz-Servietten hinzugefügt.
Dort hätte es auch gut liegenbleiben und den zugedachten Dienst sicher verrichten könnten – wenn nicht das Telefon geklingelt hätte und meine Oma während des Telefonats nicht hätte niesen müssen. Doch die Nase kribbelte – hatschi! Und schon ging der Griff zum Papierserviettenstapel, um sich mangels Taschentuch mit einer greifbaren Alternative die Nase zu putzen.
Meine Oma sagt, sie habe das Telefonat vorzeitig beenden müssen. Und passend zu den geschwollenen Blumenkohl-Ohren, die sie von Vanillearoma und sonstigen E-Zusatzstoffen bekommt, wurde ihr Gesicht einige Tage von einer feuerroten Pepperoni-Nase geziert. Auch damit hätte man sie bei ‚Was bin ich?‘ sicher eindeutig erkennen können.
PS: Sie sammelt immer noch Papierservietten. Aber Pepperoni kommen ihr keine mehr ins Haus.
Ich liebe Pepperoni!
…und lache herzlich über Sabines Oma.
aber vermutlich nicht in der nase?
Das sind halt so Unfälle, die man als Chilifreund sehr gut kennt. Du könntest Deiner Oma noch den Spartipp geben, daß viele Reumapflaster nichts anderes sind, als natürlicher Chiliwirkstoff. Sie hätte einen eigenen Stapel ABC-Servietten einrichten können.
guter plan! ich werde das mal weiterreichen.
So herrlich aus dem Leben geschrieben & sehr zu meiner Freude.
das freut mich wiederum! sehr!
Ich hatte leider nie eine Oma / schätze dich glücklich mit der ServiettenSammlerin.
dafür gebührt ihr eine extraserviette, das stimmt 🙂
Ja bitte / aus Seide.
Ohweia! Die Sache mit den Konsequenzen, ja!
😀
Hat dies auf Nekos Geschichtenkörbchen rebloggt und kommentierte:
Gnihihihi :3
oh, merci!
Sünde. Da mag man fast nicht lachen. Fast …
hihi…
Scharfe Sache! 🙂
haha, in der tat!
Wie immer so liebevoll beschrieben.