The Hellfreaks: Astoria.

THE HELLFREAKS_cover_front_CMYK-page-001(VÖ 03.06.2016) Vor anderthalb Jahren hatte Frontfrau Shakey Sue mir im Interview erklärt, warum es die Hellfreaks in Zukunft nicht mehr geben würde – doch der Herzschmerz dauerte nicht lange. Ein paar Monate später nur war sie mit neuer Besetzung am Start: Manche Freaks spuckt eben sogar die Hölle wieder aus (diesen naheliegenden Flachwitz konnte ich mir nicht verkneifen).

Doch zurück zum Ernst des Lebens – also zur Musik: Die neuen Hellfreaks touren nicht nur wieder, sondern haben nach vier Jahren Abstinenz auch ein neues Album auf ihrem (ebenfalls) neuen Label Wolverine Records herausgebracht.

Also alles neu? Nein. Tempo und Energie sind auf „Astoria“ definitiv noch beim Alten. Doch ansonsten wurde reichlich Staub von der Platte geputzt. Dazu gehört auch das alte Motto des „Horrorpunks“. Vermisst man es? Nein. Auf keinen Fall.

Denn statt halbgar in Nostalgie zu schwelgen oder einfach nur eine Neuauflage von „Circus of Shame“ zu versuchen, geht’s hier vom ersten krächzenden Ton in eine ganz neue Richtung. Bei „Rope“ und „Wolf“ ist man in der Versuchung, das Ganze Collegepunk zu nennen – doch wo Collegepunk Skateboards, Bierbong und Bikinimädchen bedeutet, sind es hier eher öltriefende Muscle Cars, harter Schnaps und zähnefletschende femme fatales. Kurz: female-fronted Punkrock Riot. Was nicht bedeutet, dass auf Eingängigkeit mit teils sogar poppigen Passagen verzichtet würde: Wie gut dass zusammenpasst, zeigt der Song „Dawn“.

Was sagt die Band selbst? Die Hellfreaks nennen es ein Werk der „neuen Generation“ und kündigen „erfrischend neuen, modernen Punkrock mit drastisch melodischem Einschlag“ an. Und das Konzept haben sie tatsächlich umgesetzt: mal schmutzig und gebrüllt im guten alten Hardcore-Style, mal beinahe sanft und melodiös.

Was dabei herauskommt, ist ein rundes Album, bei dem alles großartig zusammenpasst. Fast zu gut, denn ein absoluter Ohrwurm ist noch nicht dabei (obwohl: „Dawn“ ist schon ein Ausreißer). Man hat nicht das Gefühl, dass Shakey Sue mit ihrer neuen Crew erst mal warm werden muss – im Gegenteil. Die Hellfreaks haben den Neuanfang gewagt. Und gewonnen!

Und was sagt Shakey Sue persönlich zum Neustart from hell? Ich habe sie gefragt:

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(c) The Hellfreaks

Wer ist deine neue Crew? 
Lasst mich mit meinem Lieblingsinstrument anfangen – den Drums: Hier sitzt unser Bandküken Adam. Er ging auf das Konservatorium, spielt als Session-Musiker in sehr vielen namhaften Bands in Ungarn und mag Angeln. An der Gitarre haben wir Tomi: Einer von denen, auf die man schon fast neidisch sein könnte, da er aus eine Musikerfamilie kommt und wortwörtlich mit der Gitarre in der Hand aufgewachsen ist. Tomi mag Guns’n’Roses. Und wir mögen Tomi, daher versuchen wir unser Bestes, um ihm das zu verzeihen. Unser Repräsentant des beachtlichen Schnurrbarts ist unser Bassist Gabi: Auch er spielte als Session-Musiker an der Seite der ganz Großen in Ungarn, besuchte das Konservatorium, ist Songwriter und würde auch gern mal wieder Angeln gehen. Und ich bin ja bereits bekannt. Ich mag übrigens Fischgerichte wirklich sehr.

Woher kennt ihr euch?
Adam und Gabi kennen sich mittlerweile schon mehr als 10 Jahre – die beiden sind zusammen aufs Konservatorium gegangen und waren eine Zeitlang sogar Zimmergenossen im Wohnheim. Gabi und Tomi spielten zusammen in einer Band, und unser Schlagzeuger vor Adam hatte zusammen mit Tomi auch noch eine andere Band.
Das hört sich auf den ersten Blick vielleicht etwas unübersichtlich an… aber so fügten sich die Teile, als ich mich dafür entschieden habe mit der Band einen Neuanfang zu wagen: Jeder spielte schon irgendwie mit jedem in einer Band – und jetzt haben wir uns zusammengefunden.

Lief es bei so viel Gemeinsamkeit im Studio bzw. auf der Bühne gleich wie am Schnürchen?
Schon, wobei wir auch unter recht großem Druck standen. Als wir uns für den Neuanfang entschieden, wohnte ich ja noch nicht einmal im selben Land wie die anderen. Ich bin zu der Zeit nur für Intensivproben aus Berlin nach Budapest geflogen. Und schwups!, standen wir schon das erste Mal zusammen auf der Bühne – und zwar in den USA. Ich kannte die Jungs zu der Zeit kaum bis gar nicht. Das hätte natürlich auch mächtig schief gehen können, aber wir mussten diesen Kopfsprung wagen.

Fühlst du dich mit der neuen Aufstellung befreit oder bist du auch noch nostalgisch?
Kennst du das Gefühl, wenn du im August bei 30 Grad im Schatten mitten in der Stadt im Bus stehst, die Menschenmenge dich zerdrückt, du dich gar nicht festhalten musst, weil du so eng von der Masse umgeben bist, Schweiß und Schweiß, Gestank an Gestank, und du nicht entscheiden kannst, ob du wegen dem fehlenden Platz oder wegen Atemnot gleich zusammenbrichst?

Klingt nach Berlin, heute morgen in der Ringbahn.
Und nun stell dir vor, dass endlich deine Haltestelle kommt: du steigst aus und befindest dich am Rande eines Waldes direkt im Schatten. Der Bus fährt weg, die Vögel zwitschern – du stehst da ganz allein, keine Menschenseele in Sicht, atmest durch und genießt die Ruhe der Natur. Genau so ist das, was ich momentan durchlebe. Natürlich habe ich auch sehr viele schöne Erinnerungen aus der „alten“ Zeit der Band. Aber die Zeit des Zusammenbruchs, die Zeit, wo ich soweit getrieben wurde, dass ich fast alles aufgegeben habe, ist so vergiftet, dass es die ganzen alten Geschichten wie ein Nebel umgibt. Es gibt Leute, die mir aus dieser Crew fehlen. Es gibt aber auch Leute, die mir einfach so Böses angetan haben, dass ich diesen Abstand als Befreiung empfinde. Aber ich bin mir sicher, wenn du mich das selbe in ein paar Jahren fragst, werde ich ganz anders antworten.

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(c) The Hellfreaks

Ist notiert. Was hat sich jetzt textlich bzw. inhaltlich bei euch verändert?
Ziemlich viel. Sowohl textlich, als auch musikalisch. Ich denke aber, um diese Veränderung erklären zu können, ist es wichtig zu betonen, dass ich mit dieser Band aufgewachsen bin: Ich war erst 20 Jahre alt, als das Ganze losging. Nun, sieben Jahre später, bin auch ich ein anderer Mensch, weil einfach so vieles passiert ist.

In unserem allerersten Album ging es nur und ausschließlich um Horror- und Psychothemen. Zwei Jahre später griff ich noch immer tief in die Horrorkiste, aber eher als Element – um mich über die Dinge, die mich beschäftigten, geschmückt ausdrücken zu können. Heute habe ich mich von diesen Themen ganz verabschiedet. Nicht, weil ich nicht mehr den Reiz der Sache sehe, sondern weil ich mich nicht wiederholen mag.
Dazu kommt aber auch, dass man erst mit der Zeit merkt, wie viele Leute man doch mit seiner Musik erreicht und wie wichtig das ist, was du sagst – denn mehrere tausend Leute hören dir zu! Dabei war ich damals in der Schule vor 20 Leuten schon nervös, wenn ich ein Referat halten musste! (lacht)

Ich sage nicht, dass ich all das mache, um die Welt zu verändern. Aber mit der Rolle des Märchenerzählers kann ich mich auch nicht mehr anfreunden. Daher geht es in diesem Album darum, was mein „nacktes“ Wesen beschäftigt, was ich anderen auf den Weg geben würde. Um das, was ich als falsch empfinde und worauf ich mit einem überdimensionalen Zeigefinger hinweisen möchte: Hab eine Meinung! Egal welche, aber hab eine! Denke, bevor du deinen Mund öffnest! Denk an andere, an di,e dich umgeben, und an die, die noch kommen! Versuch, dich in die Lage anderer hineinzuverstzen! Definiere deine Freiheit! Finde was dich glücklich macht! Erkenne was deine Leidenschaft ist! Sei kein Egoist, denn dafür sind wir zu viele… All das definieren wir als modernen Punk-Vibe. Aber wir können es auch gerne anders nennen, um das Label geht es hier nicht mehr.

Eure nächsten Pläne?
Na, das was wir jeden Abend machen, Pinky! Wir versuchen die Weltherschaft an uns zu reißen! (lacht) Das beginnt aber erstmal mit ein paar konkreteren Schritten: Wir werden diesen Sommer noch zwei Videoclips machen. Einer ist für die Fußstapfen unseres ersten Videoklipps „Boogieman“ geplant. Das andere Video wird ein Roadmovie von diesem Sommer werden, in dem uns neun Auftritte in sechs verschiedenen Ländern erwarten. Ende des Jahres wollen wir schon unsere nächste EP aufnehmen und einiges an Konzerten steht für Herbst und Winterzeit schon jetzt im Kalender. Wir arbeiten daher fleißig und hoffen einfach auf das Beste!

Ich wünsche jedenfalls viel Erfolg und danke dir für das Interview!

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