John Allen: Orphan Keys.

Nach einem Album und einer Tour mit Full-Band-Begleitung kehrt John Allen auf seiner aktuellen EP mit insgesamt 7 Songs zurück zu seinen Solo-Wurzeln. Ein altes, leicht rachitisches Klavier – und sonst nichts. Nach all den fröhlichen Songs muss ich mich erst einmal wieder einhören in die wehmütig-raue Stimme des Hamburger Singer-Songwriters, die sich Seite an Seite mit ein paar einsamen Pianoklängen zu voller Pracht entfaltet.

235035-511e45f740584120a888822396201a4fMit „Orphan Keys“ verabschiedet sich John Allen von einem „normalen“ Leben und hängt sein sicheres Lehrerdasein zugunsten eines Musikerlebens on the road an den Haken. Weil ich mir den naheliegenden Scherz – und guten Wunsch – nicht verkneifen kann: Man kann nur hoffen, dass er dieser neuen Zukunftsrichtung etwas weniger rabenschwarz gestimmt gegenüber steht, als „Orphan Keys“ angelegt wurde: „[Producer]René [Dlugosiewicz] and I decided to create an atmosphere as dark and as spooky as possible. Be prepared to put on your headphones and be roped into the songs!” In der Tat, Und er versucht sich an einer neuen Stimmung seiner Songs,

Es beginnt äußerst schwermütig: Das Simon-and-Garfunkel-Cover „America“ ist beileibe keine Heiterkeitsnummer geworden. „Criminals & Baseball Stars“ stammt wieder aus seiner eigenen Feder und ein ganz neuer Song – im Gegensatz zum nachfolgenden „Thou Shalt Be Saved“, das in der reinen Klavierfassung wirklich absolut niederdrückend traurig gelungen ist. Hut ab, so viel darkness muss man erst mal in einen eigentlich optimistisch gestimmten Text hineinbringen. Aber John Allen schafft es.

Ebenso bei „Ruby’s Arms“: Der alte Tom-Waits-Klassiker ist ja auch im Original kein Schenkelklopfer, aber John Allen holt auch ganz ohne Geigen noch einiges mehr an Melancholie heraus. „Breaking Waves“ und „Close Your Eyes“ als neue Eigenkompositionen stehen dem in nichts nach.

Den Abschluss macht „Home“. Ich gestehe, dass ich vorm ersten Hören regelrecht Angst hatte, wie viel Schwärze mich bei diesem Stück erwarten würde: Das schwungvolle Original erschien in Zusammenarbeit mit Frank Turner auf dem Album „Sophomore“ und war sowohl sehnsüchtig als auch ein echter Mutmacher – beides die Eigenschaften, die ich für mich am liebsten mit John Allen verbinde. Was also nun würde mit „Home“ passieren? Mich erfüllte bange Erwartung.

Und dann tut John Allen nach all der Dunkelheit mit „Home“ etwas, was er so gut kann wie kein anderer: Er schwingt sich aus der tiefsten Trauer auf zu neuem Lebenswillen. Und macht aus „Home“ einen Song wie ihn wohl der letzte Betrunkene in einer Hafenspelunke in die Tasten hauen würde: rollend und grollend, schwankend und trotzig, rotzig und mutig. Ich bin froh.

Fazit: Mission „dark & spooky“ erfüllt. Diese EP ist harter Tobak – gerade weil man John Allen die Melancholie, die Trauer und die Einsamkeit ebenso abnimmt wie die Lebensfreude, die zum Glück am Ende auch wieder durchblinken darf.

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