#dreiworte: Eine Geschichte für Die Grüne Lunge.

Erinnert sich noch jemand? Die Grüne Lunge hat letztes Jahr saftige 200 Euro zu meinem Roman-Crowdfunding beigetragen. Dafür habe ich Inhaber Sascha und seinen Kollegen eine Geschichte versprochen. Und die dreht sich – natürlich – um E-Zigaretten und Dampfen. Außerdem ist sie der erste Entwurf eines Kapitels aus meinem zweiten Roman mit dem Arbeitstitel „Drei Worte“.

Eine erste Leseprobe davon gab es zum Thema Spreepark: Mein Protagonistenpaar Till und Milka hatte dem geschlossenen Freizeitpark im Plänterwald darin einen Besuch abgestattet und war beim unerlaubten Riesenradfahren „erwischt“ worden. Das folgende Kapitel dreht sich nun um die Freuden des (werdenden) Vaterdaseins und des Dampfens… Also noch einmal: Tausend Dank, lieber Sascha!! Die 500-Worte-Schreibmaschinenversion ist in Arbeit und wird in den nächsten Tagen bei euch eintrudeln!

Als Beck vor der Tür steht, ist tatsächlich alles wie immer. Er knallt seinen Rucksack in den Flur, schnappt sich ein Bier aus dem Kühlschrank und wir setzen uns raus auf den Balkon. Ich stecke mir eine Zigarette an und halte auch Beck die Schachtel hin. Er winkt ab: „Nee, lass ma, ich hab was Besseres.“ Er greift in seine Jackentasche und zieht ein längliches Ding heraus, wie ein Kugelschreiber sieht es aus. Grinsend schiebt er es zwischen die Lippen und stößt genießerisch Rauch aus. „Was’n das für’n neumoderndes Zeugs?“, frage ich. „Das ist ‘ne E-Zigarette, du Banause“, sagt Beck wichtig. „Rauchst du jetzt nicht mehr?“, frage ich. „Ich rauche nicht, ich dampfe“, sagt Beck. Und weil ich ihn auslache, hält er mir gleich einen ganzen Vortrag über die Vorteile seines neuen Spielzeugs. Billiger als Kippen, besser für die Gesundheit, körperlich viel fitter und überhaupt. Ich kann nur den Kopf schütteln: Beck, der früher jeden einzelnen Tag mehr gequalmt hat als ich zu meinen schlimmsten Zeiten, macht jetzt einen auf Missionar und „ich kann die Bäume im Wald riechen“.

Perk_grünelunge

„Was’n los mit dir, Alter?“, frage ich, „wirst du auch noch Vegetarier oder was?“ – „Keine Sorge“, er grinst, „sicher nicht. Das ist doch wegen dem Baby. Neulich war ich abends unterwegs, hab dann bei Ariane gepennt und als ich morgens meine Klamotten angezogen hab, ist mir zum ersten Mal aufgefallen, wie die gestunken haben. Wie ‘ne ganze Kneipe, echt, wie Sau! Kannste doch keinem Kind zumuten, sowas, da kannste es ja direkt im Aschenbecher aufziehen. Will ich dem Kind nicht antun, den Scheiß. Und Ariane war eh genervt von der Raucherei, weil sie ja nicht mehr darf.“ – „Aber das Ding raucht doch auch“, sage ich. „Nee“, erklärt er, „ist nur Wasserdampf. Ginge auch ohne, das ist nur für den Kopf. In der Umstellungsphase  hatte ich ja auch noch Zigaretten dabei, hab aber keine einzige mehr geraucht, das war auch nur für den Kopf. Jetzt find ich den Geruch richtig ekelhaft… dass du mich hier einquarzt, ist echt widerlich. Probier mal lieber.“ Er drückt mir das Kugelschreiberding in die Hand und zeigt mir, auf welchen Knopf ich drücken muss. Der erste Zug schmeckt nach nichts, ich hab immer noch den Tabakfilm auf der Zunge. Der zweite ist schon besser, fast wie ein Bonbon. „Was ist denn da drin?“, frage ich.

Vampire Kiss“, sagt Beck, „ist ‘nen Mix aus Menthol und Lakritze. Schmeckt gut, oder? Ich hatte auch schon Cheese Cake und Zitrone und Cappuccino, aber den finde ich jetzt richtig gut.“ Ich ziehe die Augenbrauen hoch, gebe ihm sein Spielzeug zurück und klopfe mir noch eine Kippe aus der Packung. „Mag ja sein“, sage ich, „aber stell dir mal vor… der Marlboro Man reitet in den Sonnenuntergang und hat einen Kugelschreiber im Mund!“ – „Die Marlboro-Männer sind allesamt an Lungenkrebs gestorben“, sagt Beck, „ich will mein Kind aufwachsen sehen.“ Ich gebe auf und wir reden über andere Dinge. Später machen wir uns ausgehfertig, Beck hat Tickets für ein Konzert in Kreuzberg und will danach noch auf Kneipentour gehen.

„Können wir vorher noch kurz in die Gropiuspassagen?“, sagt Beck, „brauch noch neues Liquid.“ – „Was brauchst du?“, frage ich. „Liquid“, sagt er als wäre ich nur kurzfristig taub gewesen, „Vampire Kiss ist fast alle und ich wollte noch mal Mango probieren.“ Ich nicke ergeben und stehe auch brav eine Dreiviertelstunde daneben, während Beck mit dem Verkäufer in der Grünen Lunge fachsimpelt und sich durch die gesamte Produktpalette dampft. „Willst du auch mal testen?“, fragt der Verkäufer, „ist Whiskey.“ – „Nee, lass mal gut sein, den trink ich lieber“, sage ich und zu Beck: „Mach mal fertig, ich warte draußen auf dich.“ Beck nickt und lässt sich den Whiskey zeigen.

Draußen zünde ich mir eine Zigarette an und halte das Gesicht in die Sonne, bis Beck mit einer kleinen Tüte voller Liquidfläschchen nachkommt. Stolz berichtet er, dass er den Nikotingehalt jetzt auf 2mg runtergedrückt hat: „Angefangen hab ich mit 18mg! Hab ja schon überlegt, ob ich es ganz sein lasse, man muss seinem Kind ja auch Vorbild sein und so… aber jetzt lass ich erstmal das Nikotin weg und dann guck ich weiter.“

Wir machen uns auf den Weg Richtung Herrmannplatz. Beck schwafelt weiter über Kinder und wie sie das Leben verändern, Zupfmassagen gegen Dehnungsstreifen, Akkupressur gegen Übelkeit und wie sich Ariane weder beim Einkaufen, noch bei ihrer Joggingrunde von der Schwangerschaft beeindrucken lässt. „Die will tatsächlich noch bis zum Mutterschutz arbeiten gehen! Sogar, wenn die sich morgens die Seele aus dem Leib gekotzt hat, geht die danach arbeiten als wäre nichts gewesen!“ Ich zucke die Schultern und Beck ergeht sich weiter in Überlegungen, wie er sein wertvolles Baby vorm Unbill der Welt schützen kann.

„Dicker, ich erkenn dich nicht wieder“, sage ich schließlich. Beck verzieht das Gesicht. „Was’n los“, sage ich, „Zahnschmerzen?“ – „Nee“, sagt er. Schweigt wieder und knallt mir dann die Faust ins Kreuz. „Scheiße“, sagt er. „Man! Was ist denn los? Jetzt spuck aus!“, fluche ich. Der Faustschlag hat wehgetan, er hat meine Nieren getroffen oder irgendwas durchaus Überlebenswichtiges. Beck windet sich, so komisch hat er sich zuletzt benommen als er mir Arianes Schwangerschaft gebeichtet hat, irgendwas ist hier im Busch. „Scheiße“, wiederholt er, „gib mir doch mal ‘ne Kippe.“ Ich reiche ihm die Schachtel und kann mir das Grinsen nicht verkneifen: „… und ich dachte, es geht dir um die Gesundheit!“

Beck schleudert die Zigarette zu Boden, unangezündet. „Scheiße“, brüllt er wieder, „geht’s ja auch! Um deine nämlich!“ Ich bin zusammengezuckt, so ist Beck mir gegenüber noch nie ausgerastet. Er zieht jetzt doch seinen Verdampfer aus der Tasche und beruhigt sich langsam wieder. „Scheiße“, wiederholt er, etwas leiser jetzt, „ich wollte nicht davon anfangen, obwohl Ariane mich tierisch damit genervt hat, aber im Prinzip geht mich das ja nichts an. Und du musst selber wissen, was du machst, scheißegal, was ich davon halte.“

Plötzlich weiß ich, wovon er redet. Von wem.

„Denkst du nie an sie?“, fragt Beck. Ich zucke die Schultern und klopfe mir eine neue Kippe aus der Packung. Natürlich habe ich an Milka gedacht in der Zeit. Oft sogar. Es war ja nicht so, dass sie mir von einem Tag auf den anderen egal geworden wäre. Wäre sie mir egal gewesen, hätte ich mich ja nicht trennen müssen. Tausend Mal wollte ich sie fragen, wie es ihr geht. Ich wollte einfach nur wissen, ob sie okay ist, nur ihre Stimme hören, sie einfach nur sehen. Aber ich hab es nicht getan.

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3 Gedanken zu “#dreiworte: Eine Geschichte für Die Grüne Lunge.

  1. Kurbelursel schreibt:

    Phu, da denkt man nix Böses, will nur auf dem Laufenden bleiben, was es zum Dampfen gibt und dann sowas.
    Nun warte ich auf die Erscheinung dieses Buches und habe glattweg gleich den 1. Band geordert.
    Und da dachte ich noch, ich hätte meinen HWV gut im Griff 🙂

  2. Pingback: Kultur – MeReD

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