Komm, spuck aus oder Der Zucker & ich.

Meine ersten drei Lebensjahre fanden zuckerfrei statt. Meine Eltern sind bis heute keine großen Fans von Schokolade und Gummikrams (es sei denn, es ist extrem hochwertig, handgeschöpft und bio), und sie waren der Meinung, dass ein Kleinkind erstmal auch gut ohne Süßkram auskommen könne.

Meine Großeltern wurden dressiert, mir Obst statt Sweets mitzubringen – und ich freute mich über eine Kiwi mindestens genauso wie über den Besuch an sich. Beim Kaffee mampfte ich geruhsam meinen Zwieback und meldete keinerlei Futterneid auf Kuchen oder Kekse an. (Das Abendessen-Pendant zum Zwieback war übrigens der Hühnerknochen, an dem ich so zahnlos wie ausdauernd herumnagte.)

Kurz: Mir fehlte es an nichts. Zuckerbegegnungen gab es natürlich trotzdem, die Verführung lauerte überall außerhalb des elterlichen Hauses, aber ich war einfach nicht anfällig für den Stoff: Im dörflichen Krämerladen bekam ich zwar bei jedem Einkauf einen Lolli geschenkt, freute mir darüber mehrere Löcher in die Mütze (und bekam einen Tobsuchtsanfall, als der Vorrat eines Tages erschöpft und Lolli aus war) – aber gegessen habe ich die Dinger nie. Ein, zwei Mal daran geleckt – das schon. Oh ja. An den künstlichen Kirschgeschmack erinnere ich mich dabei bis heute deutlich. Genauso wie an den im Sommer leicht fauligen Geruch der Müllsäcke, die hinter der Scheunentür standen, und in denen ich die klebrige Köstlickeit nach zwei Mal Lecken sofort versenkte. So ein ganzer Lolli, das war einfach zu viel für mich und meine sensiblen Geschmacksnerven.

Genauso wie die Sache mit dem Schokoladenkeks. Meine Mutter war leidenschaftliche Handballspielerin und nahm mich als Kleinkind jeden Sonntag mit in die Halle, wenn Punktspiele anstanden. Irgendwer fand sich immer, um mit dem kleinen Sabinchen herumzualbern, denn im Alter von 2-3 Jahren war das kleine Sabinchen pre-trotzphasig sehr niedlich.

Aber in Sachen Zucker hatte ich wie gesagt meinen eigenen Kopf. Auch als die babysittende A-Jugend mir eines Tages einen Schokoladenkeks anzudrehen versuchte. Der Mechanismus war derselbe wie beim Lolli: Sabinchen kriegt etwas geschenkt, Sabinchen freut sich ein Loch in die Mütze. Doch dann überschlugen sich die Ereignisse: Sabinchen beißt in den Keks, verzieht angeekelt das Gesicht – und rennt mit vollem Mund aufs Spielfeld, um den angematschten Keks in Mamas Hand zu spucken. Ganz egal, ob die Mama grad einen Handball im Griff und einen vielversprechenden Angriff aufs gegnerische Tor vorhatte.

Ob die Mama-Mannschaft das Spiel trotzdem gewonnen hat, ist nicht überliefert. Hauptsache, ausspucken! Manchmal ist das eben das Einzige, das wirklich zählt.

PS: Ich bin heute nicht wild auf Süßigkeiten, auch wenn ich das phasenweise vergesse. Was ich allerdings neulich bei der Lesung im Mastul kekstechnisch von catsandcakes überreicht bekam, schmeckte ausgesprochen köstlich!! Dafür mache ich mittlerweile doch Ausnahmen. Und zwar mit Begeisterung.

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9 Gedanken zu “Komm, spuck aus oder Der Zucker & ich.

  1. Sofasophia schreibt:

    Du hattest ja wirklich Glück mit deinen Eltern. Klasse.
    Ich kenne Kinder, die es ähnlich halten und hielten, als sie klein waren. Das finde ich immer toll.
    Ein Bild von einem Zweijähringen, der mit den Schokokäfern spielt, Türme baut, statt sie auszupacken wie alle andern, sehe ich noch deutlich vor mir.
    Die Sucht, die Sucht …

    • rocknroulette schreibt:

      … und es gibt ja auch die andere Seite: Es hätte genauso gut sein können, dass ich mich bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit Gummibären und allem vollgestopft hätte, bis ich noch ganz andere Dinge hätte spucken müssen. War aber zum Glück nicht so 🙂 Und ich bin froh, dass meine Eltern das so gehandhabt haben.

  2. 500woerterdiewoche schreibt:

    Mit den Großeltern hast du aber auch Glück gehabt, dass die das mitgemacht haben… Meine Großtante hat uns immer mit Süßigkeiten vollgestopft. Bis ich eines Tages auf der Heimfahrt in die Bahn gekotzt habe.

    So ne wirklich Süße bin ich aber auch bis heute nicht. Vor allem Schokolade muss so richtig schön dunkel sein 😀

  3. zitronentarte schreibt:

    Ich beneide Euch. Bei uns gabs immer viel Süßes, von allen Seiten. Und ich bin heute ein Schoko-Junkie, meist auf Dauerentzug (damit mir die Waage freundlich gewogen ist!).

    • rocknroulette schreibt:

      man weiß ja nie, was richtig ist… oder was nach hinten losgeht. hätte auch sein können, dass ich (wie mein sandkastenkumpel, der ähnlich null-toleranzmäßig ernährt wurde) überall alle nur irgendwie erreichenbaren zuckertöpfe leergefressen hätte…

  4. Bonnie schreibt:

    Bei uns gab es zwar auch viel Süßes aber ich konnte mich zum Glück schon als Kind nie dafür begeistern. Ich finde es auch ganz schrecklich wenn die Kinder so viel ungesundes Zeug bekommen! Ab und zu ist es natürlich ok! 🙂

    Schön hast du deine Geschichte erzählt! ❤

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