Mein Verleger kriegt nicht mehr Sex.

Gestern Abend habe ich die lektorierte Fassung vom “Druckstaueffekt” bekommen. Große Aufregung… und erfreulich wenig, was zu tun ist. Und mittleres Amüsemang, denn es wurde sich mehr Sex gewünscht. Mehr explizite Ausdrücke in Richtung feuchtfickenspritzschwanz und mehr Freude am Detail.

Ich musste nicht nachdenken. Die Antwort ist: Thank you, but thank you. Daran werde ich nichts ändern. Mancher, dessen Voyeurismus ich mit dem F-Wort-Zitat auf der Crwodfundingseite aufs Glatteis führte, wird sicher enttäuscht sein, aber nein. Und weil’s so amüsant war, hier ein kleiner Ausschnitt aus der nachfolgenden Konversation mit meinem Verleger:

Ich: Hahahaah, es gibt NICHT mehr Sex und schon gar nicht mit dem Vokabular. Never ever! Dafür gibt es all die 50 Shades of Grey, Vögelfrei und Berlin Calling-Dinger. Ich mag Szenen, wo nur die Kerze ausgeht, und man weiß einfach Bescheid.

Jonas: (lacht) Ja, typisch Frau!

Ich: Dafür gibt’s Pornos! Dafür muss ich kein Buch lesen. Zumindest nicht meins.

Jonas: Es gibt nur eine Erwartungshaltung beim Leser eventuell.

Ich: Ja, aber ich will diese Typen gar nicht, die mir Schlafzimmerlesungen abkaufen wollten. Ich will die LeserInnen, die sowas selbst erleben, und ich will, dass die Promiskuitäts-Freiheits-Geschichte mal anders erzählt wird.

Jonas: Aber du als Person verkörperst das (wenn man Dich nicht kennt): rockig, dirty, rothaarig.

Ich: (peinlich berührt) Ach was… Aber ich will vor allem, dass der Sex nur Normalität ist, als Normalität dargestellt ist, und es darum geht, was DANN passiert.

Jonas: Ja das hast du auch erzählt. Es bleibt dann nur dieser Wunsch nach dem „ich will das da jetzt was kommt“ – so wie in der Szene mit Remmer. Die literarische Figur wird zum Objekt, ich als männlicher Leser will sie. Und ich will mehr wissen. Sie als Objekt sehen.

Ich: Ernsthaft?!?

Jonas: Ja. Aber lassen wir die Szenen so, das ist eigentlich auch ein ganz netter Gegensatz – wenn man was will, aber es nicht kriegt.

 

So machen wir das. Passt auch eher zur Gesamtaussage: Promiskuität sieht soooo gut aus und kann einfach mal gar nichts hergeben, wenn man nicht auf sich selber klarkommt. Und meine Protagonistin braucht kein Vokabular, um sich zum Objekt zu degradieren, das kann sie auch so.

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41 Gedanken zu “Mein Verleger kriegt nicht mehr Sex.

  1. absinthefreund schreibt:

    Ich meine, es hätte auch einen triftigen Grund geben können, weshalb mehr Sex dem Buch gut täte: Spannung, Emotion oder so. Aber bloß aus reißerischen und voyeuristischen Gründen? Oh, wie bitter. Gut, dass du dich durchgesetzt hast.

    • rocknroulette schreibt:

      man muss dazusagen, dass das gespräch sehr humorvoll war 🙂

      aber nee, weder spannung, noch emotion würde es in meinen augen zuwachs bringen. daher: ein fröhliches nein in übereinstimmung.

  2. Ben Froehlich schreibt:

    Das ist ja auch ne ganz gewagte Anforderung. Eine wirklich gute und erotische Szene kann ich nicht auf Knopfdruck schreiben. Und die großen Autoren kamen ja auch ohne aus, die darf man sich ja mal als Vorbild nehmen 😀

  3. stefanini schreibt:

    rockig dirty rothaarig. Aha. Ich hätte von dir da auch Sex Sex Sex mit passendem Vokabular erwartet. 😉 Oder auch nicht.

    Aber ich sehe (um auf unsere Unterhaltung von vor nem Monat zurückzukommen), dass zumindest das Lektorat drin ist in dem Preis. Hoffentlich ist’s trotz rockig, dirty, rothaarig ein gutet. (Ja, ich las, dass es ein humorvolles Gespräch war 😉 )

  4. Candy Bukowski schreibt:

    Recht hast Du. Dein Buch, Deine Regeln, kein Sex 🙂

    (Aber ehrlich gesagt, lassen sich erzählerische Hauptstränge sehr gut in den Sex hineinschreiben. Sex ist ja auch nur eine Emotion und lässt sich ohne Pornografie transportieren. Ich finde das groß, wenn ich als Leserin den Schwanz spüren kann, aber in meinem Kopf das emotionale Thema hämmert. Vielleicht bin ich da aber auch seltsam.)

    Ich freue mich auf Dein Buch!!

  5. 500woerterdiewoche schreibt:

    Wasn, und keine Chance auf den Bad Sex Award haben? Dein Verleger will doch nur, dass dein Buch möglichst viele Preise einheimsen kann! 😛

    Aber im Ernst: Finde ich ne gute Entscheidung. Erstens gibt es schon zu viel unnötig ausführlich beschriebenen Sex, und zweitens muss es ja auch dein Buch bleiben. Wenn er das nicht will, muss er halt einen Schreib-Sweatshop à la James Frey gründen.

    • rocknroulette schreibt:

      hihi. meinsmeinsmeins und von dem anderen zeug gibt’s genug.
      aber mein verleger ist dann ja doch ein kluger – argumente gehen immer und wir sind jetzt beide völlig fine mit kerze auspusten 😉

  6. kaetheknobloch schreibt:

    Allein die Erwähnung des schrecklichen Buch des Grau(en)s, läßt mich erschauern, aber gewiß nicht vor Wollust. Ditte haste gut geklärt mit Deinem Verleger, obwohl ich ja lieber die Kerze anlasse statt auszupusten. Na gut, Neonlicht muß nicht sein…
    Applaudierende Grüße, Deine Käthe.

  7. Frieda schreibt:

    1.) Was bildet der Mann sich eigentlich ein, dich einfach mal fremd zu definieren. Weil du rote Haare hast und auf Rockmusik stehst, stehst du „als Person“ plötzlich für explizite Sexgeschichten mit Spritzfotzendrecks-Ausdrücken? Ich möchte gar nicht wissen, was im Kopf dieses Verlegers sonst so alles passiert.

    2.) Oh toll, eine weiblich Protagonistin die sich ausprobieren und in Ruhe ihren Weg zur Hauptperson in ihrem eigenen Leben finden darf. Das findet wir gut, das wollen wir veröffentlichen. Aber bitte mach sie vorher zum Objekt.

    3.) Die Szenen die sich nach dem Ausblasen der Kerze in meiner Fantasie abspielen sind hundert pro prickelnder als alles was du oder sonst jemand zu Papier bringen könnte. Ist doch eigentlich logisch, oder?

    Ich weiß, du verstehst dich mit diesem Verleger viel besser als mein feministisches Herz das immer so glauben mag. Aber ich könnt grad echt Bahnen kotzen…

    • rocknroulette schreibt:

      mein armer verleger 😀
      zum glück ist er ein sehr netter mann von humor.

      … und um eins in die waagschale zu werfen: meine protagonistin macht sich schon selber zum objekt. aber ohne entsprechendes vokabular, sondern durch handlung an sich. dass das allerdings erotische phantasien befeuern könnte (statt kopfschütteln), war noch mal ne völlig neue perspektive.

  8. Sofasophia schreibt:

    Chapeau. Und ich hatte ja schon ein bisschen Angst, dass es kein Glatteis war. Und nun froh, dass es doch Glatteis war. Kerze aus und gut. Phantasie habe ich ja selbst. *lach*

      • rocknroulette schreibt:

        wenn ungerechtfertigt – dann auf keinen fall. andererseits haben mich die gerechtfertigten meinungen anderer zu dem gemacht, was ich heute bin (oder schreibe). ich bin immer offen, mir dinge anzuhören – was man dann begründet annimmt oder begründet ablehnt, festigt den bezug zum eigenen werk, zumindest geht es mir so.

      • denisfeuerstein schreibt:

        Ich halte es da ganz ähnlich und ich höre mir zielgesetzte produktive Kritik gerne an. Aber meistens höre ich ein ziemlich unbegründetes „Nein Sir, gefällt mir nicht“ ohne dass das Gegenüber mir sagen kann warum oder weshalb. Und sowas hasse ich wie die Pest.

      • rocknroulette schreibt:

        ja, das bringt einen einfach mal gar nicht weiter. das ist ne meinung, aber die sollte bitte auch einen grund haben – sonst einfach mal mund halten.

      • denisfeuerstein schreibt:

        Genau! Aber sowas gibt es leider viel zu oft. Es freut mich jedoch immer wieder zu sehen wie die Leute schockiert reagieren nachdem man zu ihrem überflüssigen Kommentar (denn es ist ja nichts anderes als das) nur ein „UND?“ vor die Füße wirft um ihnen damit klarzumachen: „Was interessiert mich deine Meinung (so wie du sie formuliert hast)?“

  9. haifischberlin schreibt:

    also.. erstens dachte ich eben „poah so oft habe ich Promisui..Protago..whatever noch nie in einem Gespräch gehört“ ( xD ) und dann habe ich daran gedacht, das ich erst kurz davor überlegt habe, wann ich denn wohl endlich das tolle Buch in Händen halten kann 😀 bezahlt ist es ja schon 🙂 jipiieee!! 😀

  10. gudrunlerchbaum schreibt:

    Recht hast du, es ist deins! Allerdings – Humor hin oder her – scheint mir die Fremddefinition rockig, dirty, rothaarig … und daher mehr Sex schon maximal grenzwertig bis eindeutig erniedrigend zu sein.

    • rocknroulette schreibt:

      rockig nehme ich mal als kompliment, rothaarig ist ja schon recht nah an den tatsachen und über dirty habe ich herzlich gelacht.
      alles halb so wild – und eure rückmeldungen bestätigen ja, dass die ablehnung irgendwelcher änderungen goldrichtig ist 🙂

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