Auf nebenstehendem Foto blicke ich zwar furchtbar zerknittert aus der Wäsche, aber die Tatsache, dass ich Ohren tragen und diesen wunderbar gebastelten Siegerplasteball in die Kamera halten durfte, heißt: Feuerpudel gewonnen!! Und zwar den 1. Platz, gleich zwei Mal.
Gestern gewann „Als wir noch Liebe suchten“ (man munkelt sogar, dass applaudiert wurde, obwohl aus Nachbarschaftsrücksicht nur Gebärdenapplaus erlaubt ist). Im Oktober war es das Kapitel „Adam“ aus dem Druckstaueffekt, dass es jetzt und hier in voller Länge zu lesen gibt (und eigentlich auch zu hören, aber der Mitschnitt bei der Lesebühne hat wohl nicht ganz geklappt).
Adam.
Ich lerne Adam in einem Café kennen.
Er steht vor mir in der Bestellschlange und wir kommen über einem Frappucchino ins Gespräch. Wir tauschen Nummern aus und er verziert mich in seinen Nachrichten mit zärtlichen Namen, noch bevor wir das erste Date haben. Milchmädchen nennt er mich, weil er nach einem einzigen Lächeln von mir schon meinen Kaffee bezahlte. Ich sei gut im Rechnen, sagt er.
Vor unserer Verabredung bin ich nervös, ich kann mich lange nicht entscheiden, was ich anziehen soll, und wechsele die Schuhe mehr als einmal von Turnschuh zu hohen Hacken bis ich bei Turnschuhen bleibe.
Wir treffen uns im Oberholz, einem hippen Café mit grobgehobelten Tischen an denen Mittzwanziger mit konzentriertem Blick vor ihren Macbooks hocken. Adam klappt seinen Laptop zu, als ich auf ihn zukomme, und begrüßt mich mit Küsschen links und rechts.
Er erzählt mir gleich von dem Roman, an dem er gerade schreibt. Natürlich interessiert mich das, ich wollte schon immer wissen, wie Autoren schreiben, wie sie leben und arbeiten – eine Berufskrankheit.
– Du bist Buchhändlerin? Dann kann ich ja bei euch Lesungen machen und du kannst mich als Geheimtipp empfehlen! Das wird ein Bestseller!
Ich fasse Vertrauen, Zutrauen, meine erste Verlegenheit löst sich im Teeglas. Zusammen entwerfen wir ein phantastisches Erfolgskonzept von Leseprobenabwürfen aus der Ringbahn und Kritikerentführungen. Wir lachen viel.
– Ich mag, wie du lächelst. Ich werde in meiner Geschichte noch eine schöne rothaarige Frau einbauen, die immer lacht… ich weiß auch schon genau, an welcher Stelle. Erzähl mir von dir, ich brauch alle Informationen über deinen Charakter, damit ich dich besser beschreiben kann.
Ich bin geschmeichelt. Ich erzähle ihm nichts von dir, wohl aber von meinem neuentfachten Lebenshunger. Adam lehnt sich zurück, spielt mit seinem Löffel herum und kommt meiner Hand dabei ganz nah.
– Berlin ist die perfekte Stadt, wenn du was erleben willst. Drogen, Sex, Party… du kannst alles machen, was du willst, und egal, was es ist, du wirst immer einen finden, der mitmacht… oder noch krasser ist als du.
Er grinst und nimmt einen Schluck von seinem Kaffee. Bald danach brechen wir auf.
Die Aprilnächte sind ungewöhnlich warm in diesem Jahr. Wir gehen spazieren, reden, und irgendwo, im Halbdunkel eines Parks, unter einer einsamen Laterne liest mir Adam aus seinem Roman vor. Er improvisiert über die rothaarige Frau und ihre Abenteuer, über unseren Köpfen fliegen Wildgänse Richtung Sommer und zwischen uns funkelt die Luft.
Als er mich heimbegleitet, muss ich auf Abstand achten.
Vor Janas Haustür stehen wir herum, die Hände in den Taschen, unschlüssig. Adam hat sich längst verabschiedet, aber er geht nicht. Und obwohl ich bis eben noch auf Distanz bedacht war, will ich ihn jetzt provozieren. Es soll noch etwas passieren heute Abend und so lache ich über seine Zurückhaltung, nenne ihn einen Gentleman, und werde selbst belächelt.
– Was denkst du, Milchmädchen? Glaubst du, dass es mir leicht fällt, jetzt einfach zu gehen? Aber du willst es doch gar nicht anders.
Er streckt den Arm aus, zieht mich dicht an sich heran und als ich schon den Atem anhalte, küsst er mich auf die Stirn. Und geht.
Ich bin verwirrt. Einerseits froh, weil ein richtiger Kuss mich vor Entscheidungen gestellt hätte: Hätte ich ihn schon heute mit nach oben nehmen sollen, soll er der Erste sein nach dir, will… ich… das…. wirklich? Andererseits bin ich enttäuscht, denn Adam gefällt mir. Ich will, dass auch ich ihm gefalle, jetzt weiß ich nicht, was er von mir denkt. Und die Entscheidungen… die habe ich sowieso längst getroffen.
Einen Abend später lade ich Adam zum Essen ein. Jana ist nicht da, wir sind allein in ihrer Wohnung.
Während ich vorbereite, rühre und koche, plaudern wir wie Freunde. Adam macht es mir leicht. Erst nach dem Essen steht er auf, tritt von hinten an meinen Stuhl und biegt mich in einem langen Kuss rückwärts. Wir sind beide keine Kinder mehr, dies hier ist nicht von Bedeutung.
Ich lege meinen Kopf auf die Arme, entblöße Nacken und Hals wie ein Tier, das sich ergibt. Ich habe kein Bedürfnis, Adam zu berühren. Er dagegen streichelt mein Haar, meine Haut, küsst mich und schließlich gehen wir ins Schlafzimmer.
Danach will Adam nicht gehen. Er sitzt er neben mir und schaut mich an. Streichelt mich, als wolle er mich ganz mit seinen Händen nachformen. Als wüsste er, dass dies einmalig sein wird. Seine Finger sind überall und was ich eben genoss, macht mir jetzt Platzangst. Ich verhärte meine Haut, für mich ist die Sache vorbei. Der Reiz ist verflogen. Am liebsten möchte ich aufspringen, seine Hände wegschlagen. Beinahe gewaltsam schiebe ich ihn aus der Tür.
Endlich allein, wasche ich mich mit neuer Seife, spüle unter Wasserfällen jede Erinnerung an Adam von meiner Haut und krieche ins frischbezogene Bett. Mein Handy blinkt, Adam hat geschrieben: „Ich bin echt sauer, weil du mich rausgeschmissen hast. Und trotzdem will ich dich so bald wie möglich wiedersehen, Milchmädchen, du machst mich verrückt…“ Ich lösche die SMS.
In den nächsten Tagen schreibt Adam noch ein paar Nachrichten, die im Tonfall erst bittend, und dann zunehmend gereizter werden – „ich muss dich sehen, was habe ich falsch gemacht?“
Seine letzte SMS ist nur noch Wut: „Weißt du was, verarschen kann ich mich alleine. Ich lösche jetzt deine Nummer.“ Ich antworte auch auf diese Nachricht nicht. Adam hat sich erledigt.
Jeder sagt, dass Sex ohne Gefühle auf die Dauer nichts wert ist. Vielleicht stimmt es. Aber ich werde das Gefühl von Suche nicht los – diese Berliner Krankheit, die Erwartung, dass hinter jeder Ecke, in jedem Club ein Besserer warten könnte.
Liebe? Vielleicht begegnet mir auch Liebe dabei.
mittlerweile bekommt ich immer mehr Lust darauf „Druckstaueffekt“ endlich komplett zu lesen. Ich halte es kaum aus!
Deine Geschichte mit Adam spricht mir ganz schön aus der Seele, nur wusste ich nie wie ich damit umgehen soll. Erst vor ein paar Tagen, habe ich versucht meine Gedanken aufzuschreiben und dachte es passt ganz gut (http://derblauewalfisch.wordpress.com/2014/11/06/ich-verliere-mein-gesicht/). Aber als ich den letzten Absatz eben las, kam es mir irgendwie vor, als zieht jemand ein längst vergessenes Kuscheltier wieder hervor: diese Berliner Krankheit, die Erwartung, dass hinter jeder Ecke, in jedem Club ein Besserer warten könnte.
BÄMM. Besser kann es glaube ich niemand beschreiben! dankeschön!
ich freu mich riesig, vielen dank! was kann es schöneres geben als ein langevergessenes kuscheltier von satz geschrieben zu haben?!
Hat dies auf Der himmelblaue Walfisch rebloggt und kommentierte:
„diese Berliner Krankheit, die Erwartung, dass hinter jeder Ecke, in jedem Club ein Besserer warten könnte.“ – besser kann es niemand beschreiben!