Feuerpudel Platz 2.

Am ersten Dienstag im Juli 2014 ging eine Ära zuende: Ab diesem Tag ist es nicht mehr wahr, dass meine Familie nie etwas gewinnt. Ich habe nämlich etwas gewonnen. Ich! Und zwar den 2. Platz bei einer anonymen Lesebühne in Neukölln.

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Platzierung: sehr glücklich!

Über einen mitgelesenen Blog war ich auf das Konzept „Feuerpudel“ gestoßen: Hier liest Dieter Kabow aka Alexander Lehnert anonym eingesandte Texte, die am Ende des Abends vom Publikum bewertet werden. Einzige Bedingung für die Anmeldung ist, dass der eingereichte Text gelesen nicht länger dauern darf als 5 Minuten.

Gelesen, getan – ich reichte einen Text ein, vergaß das Ganze und hatte dann letzte Woche die Bestätigung im Postkasten. Ich würde gelesen werden! Und gehört! Zum ersten Mal! Ich lud alle Freunde ein, deren ich habhaft werden konnte, und insgeheim hoffte ich auf den Sieg. Wenigstens einen der ersten drei Plätze. Bitte. Aber ich war entschlossen, nicht zu schummeln, und rückte nicht damit heraus, welche Geschichte von mir sein würde. Wenn gewinnen, dann ehrlich.

Der erste Text war ein Gedicht über Liebe und Licht – sehr gut. Und sehr gut gelesen, das macht Dieter-Alex wirklich brillant. Der zweite Text – meiner: Keiner gähnte, keiner fiel schnarchend von Stuhl, so weit, so gut. Der dritte Text – irgendwas anatomisch Inkorrektes über Füße. In der Pause diskutieren wir hauptsächlich über Nummer 3, bis eine meiner Freundinnen sagt, dass ihr bei Nummer 2 die Überraschung gefehlt habe. Der Text sei fürchterlich berechenbar gewesen. Autsch! … und gleichzeitig Erleichterung.

Ich würde nicht gewinnen. Zu Recht, denn das Ende war wirklich voraussehbar gewesen. Ich schnappte noch ein paar Ideen auf, konstruktive Ansätze zur Weiterentwicklung, in meinem Kopf ratterte es bereits, dann ging es weiter mit Text 4. Entspannt lehnte ich mich zurück und hörte zu. Bis eben war ich nervös gewesen, jetzt war die Anspannung vorbei. Ich würde nicht gewinnen, und ich wusste warum.

Text 5 war sprachlich streckenweise eine katastrophales Zuviel an Umgangssprache („irgendwie oder so musste ich das ja mal irgendwie checken oder so oder was“), aber die Idee einer ausufernden Liebe, die man nur durch Trennung wieder beherrschen kann, hat mir gefallen. Für diesen Text habe ich am Ende aller sieben Lesungen meine Stimme abgegeben. Der war frisch, gut und rund, der hatte einfach alles (und bekam am Ende Platz 1).

Bei der Siegerehrung schnappte die Anspannung noch einmal kurz zu: „Platz 3… geht an das Liebe-und-Licht-Gedicht!“ Ich klatschte. Der Autor hatte es verdient und den Platz abgeräumt, den ich mir in aller Hoffnung noch zugetraut hatte. Als Platz 2 „an die Geschichte mit dem rauchenden Vater“ ging, fühlte ich mich schon gar nicht mehr angesprochen. Aber – tadaaa! Ich kam, schrieb und wendete das Geschick der Familie. Stolz wie Oskar.

Und hier ist die Geschichte, mit der ich gewann – mit neuem Ende (natürlich): „Give This Man A Ride„.

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38 Gedanken zu “Feuerpudel Platz 2.

  1. SalvaVenia schreibt:

    Ach, wie spannend alles das beschrieben. Man zittert, bibbert mit vor lauter Wünscherei, und dann heraus kommt Platze zwei … Herzliche Glückwünsche und beim nächsten Mal dann hoffentlich die Siegtrophäe!

  2. Verfasser schreibt:

    Das Konzept klingt gut – und nicht nur das hab ich verpasst, sondern auch das Ende einer Ära 😉
    Herzlichen Glückwunsch! (War das eigentlich deine Premiere, wenn auch incognito?)

    • rocknroulette schreibt:

      ja, wirklich schön! weil es so viele verschiedenen texte gibt und der vor-leser wirklich einen tollen job macht.
      der erste dienstag im august ist es beim nächsten mal!

  3. Mrs.McH schreibt:

    Yeehaw! Das muss sich toll anfühlen! Wie aufregend!! Ich las kürzlich das erste Mal vor mir völlig fremden Menschen… waaa… vielleicht schreibe ich mal darüber, wie das war, als ich fast gestorben bin, hihi. D.h. mir käme es auch gelegen, lesen zu lassen 🙂

    Es gibt ja auch noch dieses andere Projekt mit den recht bekannten Synchronsprechern (Link suche ich mal raus und reiche ihn an), die Texte vorlesen, die man mitbringt. Ich stehe auf prägnante Stimmen, DAS wäre mein Traum!

    Jedenfalls Glückwunsch Madame, das läuft ja wie am Schnürchen bei dir und ich freue mich sehr für dich mit ♡

  4. wolkenbeobachterin schreibt:

    Glückwunsch auch von mir! Dachte, ich hätte das hier längst da gelassen, den Glückwunsch, aber jetzt erinnere ich mich wieder, dass mein Laptop abgestürzt ist, als ich das Video anhören und ansehen wollte. Aber jetzt! Glückwunsch! Und: Toll! Und: Weiter so! 🙂 Liebe Grüße

  5. phlip-chart schreibt:

    Ich möchte Deine Freude und auch die Begeisterung Deiner Anhänger ja nicht trüben… aber – geleitet durch den Feuerpudel-facebook-Eintrag – bin ich zu Deinem Blog gelangt und möchte ein paar Anmerkungen zu Deiner Schilderung des Feuerpudel-Abends machen.
    1. Man kann einen 2. Platz nicht „gewinnen“ – man kann ihn nur belegen. Man kann allerdings einen 2. Preis gewinnen. (sorry – aber solche Fehler fallen mir gerade bei Menschen, deren Passion es nach eigener Aussage ist, gute Texte schreiben zu wollen, immer besonders eklatant auf.)
    2. Der Künstlername des jungen Mannes, der die Texte vorträgt, lautet nicht „Dieter Karow“ – sondern „Diether Kabow“… mag auch nicht weiter wichtig für Dich sein… aber gleich zwei Fehler einzubauen, zeugt entweder von viel Gleichgültigkeit oder ziemlich schlechter Recherche. > Beides ist erstaunlich, da Du doch offensichtlich beseelt warst, von Deinem zweiten Platz.
    3. Du schreibst: „Und hier ist die Geschichte, mit der ich gewann – mit neuem Ende (natürlich)“ – was heißt „natürlich“? Wenn Du so stolz darauf bist, mit dem Text den zweiten Platz gemacht zu haben, dann solltest Du es auch fertigbringen, WIRKLICH DIESEN Text hier zu veröffentlichen… und nicht eine überarbeitete Version. > Klar kann man seine Texte überarbeiten… sollte man sogar, insofern man nicht mit ihnen zufrieden ist. Aber dann ist der im Blog veröffentlichte Text eben GERADE NICHT „die Geschichte“, mit der Du „gewonnen“ hast…
    4. Am seltsamsten finde ich allerdings Deine Aussage zu dem Text, der letztendlich wirklich gewonnen hat… „Text 5 war sprachlich streckenweise eine katastrophales Zuviel an Umgangssprache (“irgendwie oder so musste ich das ja mal irgendwie checken oder so oder was”), aber die Idee einer ausufernden Liebe, die man nur durch Trennung wieder beherrschen kann, hat mir gefallen.“
    „katastrophales Zuviel an Umgangssprache“???
    Ich empfinde diese Äußerung ein wenig als „Nachtreten“… so als sei der Gewinnertext im Grunde ja „auch nicht besonders gut gewesen…“ – also kaum besser als Deiner – zumindest auf der handwerklichen Ebene…
    Ich könnte noch mehr schreiben – will es dabei aber belassen.
    Ich habe mir die (überarbeitete) Version Deines Textes durchgelesen.
    Was ich daran als wenig authentisch empfinde (und sicher werden mir andere Leute da nicht zustimmen), ist der Umstand, dass Du aus der Perspektive eines Mannes schreibst – aber mit den Worten einer Frau.
    Ich kenne wenige Männer – oder genauer gesagt: gar keinen Mann (zumal wenn er so ein Möchtegern-Rock-n-Roller wie sein Vater sein will), der so etwas sagen würde wie: „Heute, dreizehn Jahre später, bin ich Meister in meinem eigenen Betrieb. Meine Erdbeersahnetorte hat viele Preise gewonnen, ich bin verheiratet und meine Frau schenkte mir vor zwei Jahren eine kleine Tochter.“
    Vieles an dem Text (nicht zuletzt auch der Brief des Vaters in dem Zigarettenetui) wirkt etwas kitschig und dadurch wenig mit der Rolle vereinbar, die da vom Erzähler eingenommen werden will.
    Ehrlich gesagt fiel ich aus allen Wolken, als irgendwo mitten im Text stand: „Von diesem Tag an wechselte ich meine Hobbys schneller als andere Jungs ihre Unterhosen.“
    Unabhängig von dem Satz als solchem, der jetzt nicht gerade krass originell ist (um mal ein „katastrophales Zuviel an Umgangssprache“ zu verwenden), hätte ich bis zu diesem Zeitpunkt den Ich-Erzähler nicht mal im Traum für einen Mann gehalten.
    Aber das mögen andere Leser anders sehen.
    Rein handwerklich möchte ich noch eine Sache anmerken, die mir häufig in Texten negativ auffällt – und zwar die unnötige Verkomplizierung von Beschreibungen. Manche Autoren glauben, durch einen besonders detaillierten Stil auch besonders gut zu beschreiben… aber das ist leider nur selten der Fall.
    Insofern ist es nicht nötig, wenn Du innerhalb eines halben Absatzes folgende zwei Sätze schreibst: „Da entdeckte ich ein flaches Päckchen oder Kästchen auf der Fußmatte. […] Es war ein goldenes Zigarettenetui, ein wenig verbeult, ein wenig Staub oder Mehl rieselte heraus als ich es öffnete.“
    Mal abgesehen von dem fehlenden Komma, stört die unklare Formulierung „Päckchen oder Kästchen“ – „Staub oder Mehl“ (weitere Alternativen wären übrigens Sand oder Kokain… – aber das tut eben nichts zur Sache ! das entwickelt die Geschichte nicht weiter… und die Formulierung hat auch keinen wie auch immer gearteten ästhetischen Mehrwert.)
    Egal !
    Es wäre noch einiges zu sagen – aber meine Anmerkungen sind eh schon zu lang.
    Betrachte sie nicht als Kritik, sondern als Anregung.
    Gruß, Philipp.

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