Heute ausnahmsweise keine alte, sondern eher eine neue Geschichte – ungefähr vor einem Jahr geschah es, dass meine Oma den Senioren-Gymnastik-Award gewonnen hätte (wenn es denn sowas gäbe).
Normalerweise behält sie ihre akrobatischen Ambitionen ja eher für sich. Im Familienkreis führt sie vor, wie sie tagtäglich Hände und Füße mit kleinen Übungen beweglich hält: 10x Fingertrommeln, 10x kreisen hier und 10x dehen dort. Wie fix sie dadurch ist, hat sie neulich einem Arzt vorgeführt, der wissen wollte, wie tief die immerhin 86-jährige sich noch bücken kann. Er hatte sein „dann beugen Sie mal vorsichtig nach vorn“ noch nicht ausgesprochen, da hatte meine so kleine wie runde Oma schon strahlend und in einer tadellosen Abwärtsbewegung die vordersten Fingerglieder unter ihre Zehen geschoben – kein Scheiß! Das kann sie wirklich.
Das Highlight ihrer Schlangenmädchen-Karriere fand allerdings letzten Sommer statt: Mein Opa war außer Haus – und meine Oma schloss sich aus selbigem aus. Rausgegangen, Tür zugefallen – bums.
Andere Damen in ihrem Alter hätten vielleicht gewartet, bis der Herr Gatte heimkehrt. Oder einen starken Nachbarn aka den Schlüsseldienst gerufen. Nicht so meine Oma. Zeit hat sie ja nie – aber dafür Erfindungsgeist en masse.
Um sich folgende Szene richtig vorstellen zu können, muss man wissen, dass meine Großeltern ein Haus haben und die Wohnräume im Hochparterre liegen – also sind alle Fenster über der Kopfhöhe und dabei eigentlich außer Reichweite meiner Mini-Oma. Zum Glück hat sie aber einen ausgewachsenen Lüftungsfimmel: Die Schlafzimmerfenster standen also sperrangelweit offen. Aber ihr Frischlufttick geht mit einer panischen Angst vor Einbrechern einher, deswegen waren natürlich die Rolladen heruntergelassen.
Kein Problem, mein Opa hat ja eine gut ausgestattete Werkstatt in der Garage: Meine Oma hat sich also eine Trittleiter geholt und ein passendes Stück Kantholz. Mithilfe der Leiter stieg sie auf Fensterhöhe, schob dann mit Kraft den Laden nach oben, klemmte das Kantholz ein – und brachte sich schwupp! mit einem doppelten Rittberger und einem eleganten Abroller ins Schlafzimmer.
Als mein Opa heimkam, waren alle Spuren beseitigt.
Sie wusste, dass er über ihre waghalsige Aktion geschimpft hätte wie ein Kesselflicker. Mit Recht! Aber natürlich konnte sie den Mund genauso wenig halten wie untätig und ausgeschlossen im Garten sitzenbleiben. Geschimpft hat mein Opa also noch – aber ein bisschen ist er auch stolz gewesen. Wer kann schließlich schon solche Geschichten von seiner Frau erzählen?
wie cool. Wenn Deine Oma Angst vor Einbrechern hat, dann sollte sie einen Rolladenschutz gegen Hochschieben einbauen. Dann kommt sie zwar selbst auch nicht mehr rein, aber wahrscheinlich vergisst sie auch nicht mehr ihren Schlüssel
guter tipp! werde ich mal weiterreichen. aber ich glaube, den schlüssel vergisst sie auch so nie mehr…
wunderbar sympathische Oma, die du da hast. Ich sehe sie förmlich durchs Fenster tanzen und sie stolz und verschmitzt lächeln.
wenn sie sich den schalkgrinser gestattet, ist sie wirklich goldig, in der tat.
Haha, wie lustig und schön geschrieben. Ein Hoch auf die Omi, und wieviele können sich doch eine Scheibe von ihr abschneiden. Wunderbar 🙂
der opa zum beispiel… seitdem die fußballruinierten knie im garten nicht mehr wollen, macht ihm bewegung nicht mehr so viel spaß wie früher.
Ja, die Menschen haben einen unterschiedlichen Umgang mit Schmerzen und ihrem Sein. Da tut ihm die Oma garantiert besonders gut.
die halten sich beide eisern. und tabletten kommen ihnen nicht ins haus.
Deine Oma ist schon klasse 😀 Danke, dass du ihre Geschichten mit uns teilst! Ich hoffe, ich werde in ihrem Alter auch noch so fit sein…
ihr fitnessrezept: alles, was man so für den haushalt braucht, ÜBERALL und in allen etagen des hauses verteilen… und 10x dies, 10x das natürlich.
So eine Omama ist klasse, ich wünsche ihr noch ein langes fittes Leben! Was das „sie vergisst ihren Schlüssel nie mehr“ angeht, wäre ich aber nicht so sicher – mir ist das durchaus schon mehr als einmal passiert. (Aber wahrscheinlich bin ich einfach nur besonders schusselig.) Die Einbrecher-Angst, oder zumindest leichte Beunruhigung, teile ich seit meinem letzten Aussperren, als es mir in unter einer Stunde mit Youtube-Videos auf dem Handy und einer Subway-Treuekarte gelang, mein Schloss zu knacken. Wie schnell schafft das dann jemand, der sich auskennt?
kenn ich. türen + mein män = 25 sekunden. nicht so schön.
Die Fabulösität Ihrer Familie ruht auf einem grundsümpathischen Grundstock. Danke, daß wir lesenderweise fensterln dürfen, herrlich. Liebe Grüße, Ihre Frau Knobloch.
😀 wenn man aus vergnügen fensterlt und nicht aus notwendigkeit, ist ja auch alles schick!