Meine Eltern können großartig kochen. Wenn ich über das Wochenende nach Hause fahre, vertilge ich dort eine Wochenration der allerwunderbarsten Dinge. Das beginnt mit der traumhaften Käseauswahl vom Bio-Bauernhof und den köstlichen Krabbensalaten vom Fischonkel und endet noch längst nicht mit den Rhabarberkuchen/Vulkantorten/Pfälzer Tiramisu, für die meine Mutter zuständig ist.
Ich muss nur an die köstliche Senf-Kräuter-Kruste denken, die mein Vater auf Rippchen und Lammkeulen zaubert, an die Weihnachts-Paella mit spanischen Würsten und Dorade oder an die Bärlauch-Spaghetti, damit mir das Wasser nicht nur im Munde zusammen-, sondern auch am Bein runterläuft, wie man in meiner Familie zu sagen pflegt.
Kurz: Jede Heimreise ist ein lukullisches Fest. Die Mutter meiner Mutter kocht anständige deutsche Hausmannskost – auch gut, aber ein ganz anderes Kaliber als die mediterran angehauchten Gerichte, die meine Eltern so auf den Tisch bringen. Doch der Weg dorthin war lang.
Als meine Eltern Ende der 60er Jahre mit ihren eigenen Kochexperimenten anfingen, gab es in Hannover und generell in Deutschland noch nicht allzu viel kulinarische Auswahl. Pizza war langsam auf dem Vormarsch, doch von der asiatisch-indisch-türkischen Vielfalt, die wir heute haben, hätten meine Eltern nur träumen können. Haben sie vermutlich sogar, denn sie wälzten Kochbücher und probierten das ein oder andere exotische Gericht aus.
Später würden sie Nudeln selbst machen oder im Wald Löcher graben, diese mit glühender Holzkohle füllen und in dieser heißen Grube fantastische Braten zustande bringen – aber zu Beginn ihrer Kochzeit stellte sie eine einfache Frage vor ein fast unlösbares Rätsel:
„Im Rezept steht: eine Knoblauchzehe. Was ist denn eine Knoblauchzehe?“, fragte meine Mutter und betrachtete ratlos das weiße, zwiebelähnliche Gebilde, das sie an diesem Tag zum ersten Mal gekauft hatte und das sich beim Schälen in lauter Einzelteile zerlegt hatte.
Mein Vater wusste es auch nicht, aber er ist praktisch veranlagt: „Die können ja nicht nur die kleinen Dinger meinen. Wir nehmen das Ganze, wird schon schmecken.“
Es schmeckte – und wie! Was sie gekocht haben, weiß ich nicht, aber es schmeckte so nachdrücklich gut, dass in den folgenden Tagen ganz Hannover etwas davon hatte. Ein kleiner Knoblauchfuzzel lässt meine Oma noch heute die Nase rümpfen – eine ganze Knolle machte damals, dass sich die türkischen Gastarbeiter in der Straßenbahn von meinen Eltern wegsetzten.
Ich wünschte, das würde mir heute auch noch passieren, wenn ich auf dem Rückweg von Hannover bin. Dann hätte ich nämlich Platz genug, um mich mit meinem mit Köstlichkeiten gefüllten Kugelbauch bequem auf zwei Sitzen auszubreiten.
Köstlich. Liebe geht durch den Kugelbauch. Und übermotiviertes Knoblauchkochen sorgt nicht immer für Völkerverständigung. Ich mag keine Kochsendungen, da ich selbst eher grobmotorisches Kochen vorziehe. Aber bei deinen Schilderungen, die ja eigentlich eine Liebeserklärung sind, läuft mir das Wasser an beiden Beinen herunter.
Gruß
Achim
das freut mich doch zu hören 🙂 was ist denn grobmotorisches kochen? hackst du gelegentlich finger mit ab oder nennst du dein kartoffelgestampftes ganz ordinär kartoffelbrei statt es mit namen à la „zartverdrillter schnee vom erdäpfel“ zu verzieren?
Mit Kochhandschuhen Zwiebel schneiden z.B. So poetisch, wie du den Kartoffelbrei (mein Oma hat übrigens „Gestampftes“ dazu gesagt) bezeichnest, so sollte ich mal darüber nachdenken, Kartoffeln zukünftig zu zerkleinern, anstatt sie nur in zwei Hälften zu schneiden.
mmh. kartoffelstampf mit spinat und spiegelei. aber das gehört nicht in die elterliche küche, sondern in ganz andere zeiten.
Das ist mal feinste und sympathische kulinarische ‚Vergangenheitsbewältigung‘! Toll.
und vor allem lecker 🙂 denn den knoblauch haben sie mittlerweile auch gut im griff.
Ich lach mich schlapp. Wenn ich mir vorstelle wie das gerochen hat. Sensationell. Bitte mehr Geschichten von Deiner Familie.
wie das gerochen hat, daran will man gar nicht denken. ich wette, in ganz hannover gibt’s seitdem keine vampire mehr.
und die Geschmacksexplosion. Wenn ich mir manchmal ob der unterschiedlichen Größe nicht sicher bin, ob ich 1, 2 oder 3 Zehen nehmen soll und mich dann wundere, dass 3 doch eine zuviel waren, dann will ich mir nicht eine ganze Knolle vorstellen
niemand möchte das, glaube ich 🙂 ich mag ja selber auch nicht so gern knoblauch. zum einen hält sich dieser perverse nachgeschmack länger als ich das ertragen will, und zum anderen habe ich zu buchhändlerzeiten zu viel fremde mundgerüche konsumieren dürfen, um selber noch meinen teil dazu beitragen zu wollen.
Also ich gebe meinen Gerichten sehr gern Knoblauch bei und kille den Geruch durch Milch, das hat bisher immer sehr gut funktioniert. 🙂 Knoblauch ist gut! Und deine Eltern wussten das damals schon 😀
du WUSSTEN es nicht, ganz offensichtlich 😀 aber gelernt haben sie, wenn nicht schmerzhaft, dann doch dufte.
hilft milch auch gegen diesen pervers-fiesen nachgeschmack?
Japp, wobei ich den eben nicht pervers finde. Teste es doch einfach beim nächsten Mal 😉
wenn ich in knoblauchverlegenheit komme auf jeden fall! da werd ich an dich denken.
Ich liebe Ihre Familiengeschichten, Verehrteste. Und latürnlich muß ich meinen Knobloch dazu geben: Alle, die Knoblauch lieben, aber nicht den Nachduftgeschmacksausdünstungswaber, sollte einszwo Zehen in heißem Olivenöl schwenken, leicht angedrückt. Ruhig bißchen sotten, aber nicht braun werden lassen, raus damit und in dem so aromatisierten Öle das Wasauchimmergargut zubereiten. Schmeckt ohne Nachfiesheit. Machen wir im Haus am Ende des Weges allerdings nur, wenn knoblauchscheuer Besuch weilt, wir futtern den immer mit. Ben’s Milchtipp hilft gut gegen mündliches Wabern.
Herzlichst, Frau Knobloch, die sich schlapplacht, weil sie aus Gewohnheit statt Lauch Loch geschrieben hat und sich wunderte, warum knoblochscheuer Besuch eingeladen sein sollte…
hahahaha 🙂 zauberhaft.
ich werd’s mir merken.
Hahaha. Das ist echt lustig. :))) Danke, dass du das mit uns geteilt hast.
more coming soon… hoffe ich 🙂
Wun-der-bar! Und ganz herzlichen Dank für den aufrichtigen Lacher. – Apropos: bitte unbedingt mehr davon. 😀
wird gemacht 🙂 mit freuden!
😀
Was für eine schöne Geschichte. Da fängt mein Magen gleich das Knurren an!
ich finde es immer großartig, wenn über essen(machen) geschrieben wird. also, keine rezepte direkt – aber schon als kind hatte ich die donald-duck-geschichten am liebsten, in denen kuchen gebacken oder ein pizzaladen auf einem fremden planeten eröffnet wurde.
irgendwie beruhigt mich das, keiner weiß warum. allerdings muss ich dann meistens auch was essen.
Ich kenne sogar Familien, die gar nicht wissen, wie man mit Knoblauch kocht, wie man ihn am besten zubereitet. So etwas kann ich gar nicht verstehen. Haben deine Eltern dir denn schon was von ihren Kochkünsten beigebracht?
also, wenn ich für mich allein „koche“, dann könnte ich mich ja ausschließlich von gebratenem käsebrot mit spiegelei ernähren… aber ich muss dringend mal ein paar rezepte einheimsen.
Ja für mich alleine koche ich auch nicht! Aber wenn die ganze Meute im hause ist, dann ist der Tisch schon voll beladen…..
so viel „meute“ ist hier ja nicht… und wenn, dann grillt der mann meistens und niemand will mein grünzeug essen 🙂 aber für gäste koche ich auch schon ganz gern und gar nicht soo übel, glaub ich.