Für das Zusatzkonzert zu seiner Unplugged-Tour hat sich der Sub7even-Sänger Daniel Wirtz in Berlin eine ganz besondere Location ausgesucht: Nach dem schönen Heimathafen Neukölln bespielt er an diesem Abend die Passionskirche am Marheinekeplatz in Kreuzberg. Sprich: deutscher Qualitätsrock in neoromanischer Backsteinatmosphäre. Oder wie Wirtz es sagt: „Dass sie uns als kleine Teufel in die Kirche rein gelassen haben… ich entschuldige mich schon mal für diverse ‚gefickt‘ und versuche, den Blitzen ausweichen.“
Einen besonders satanischen Eindruck macht die Band mit zwei Geigen, Cello, Bass, Gitarre, Drums und (vor allem) Klavier allerdings nicht. Auch der Wirtz ist in schwarzen Hipsterhosen, schwarzem Shirt und weißer Krawatte vor allem eins: extrem relaxt. Und sehr fein gemacht. Man darf gespannt sein, wie sich seine energetischen und kraftwortbeladenen Lyrics im feinen Akustikgewand machen.
Los geht es mit „Erster Stein“ und „Sag es“. Letzteres verliert in der zarten Unplugged-Version tatsächlich an Schneid, vor allem, weil Wirtz hier viel Wert auf stimmliche Entfaltung legt – etwas, was bei seinen Rockversionen nicht unbedingt Thema ist. Aber tatsächlich ist das eins der wenigen Male, wo mir die Diskrepanz zwischen Original und Bearbeitung auffällt. Danach entspanne ich einfach. Und dank halber Geschwindigkeit wirken manche Texte tatsächlich sogar noch bissiger, noch schmerzhafter, als sowieso.
Bei „Ne Weile her“, zum Beispiel: „Mit diesem Song hat uns der harte Kern kennengelernt, vor sieben Jahren damals… und dann hat jeder noch’n Kumpel mitgebracht und der hat auch wieder einen mitgebracht – und heute sind wir echt sexy 720 Leute! Obergeil!“, freut sich der Wirtz. Überhaupt strahlt er mit der Lightshow um die Wette. „Seid ihr alle happy? Kann jeder was sehen? Sonst machen wir da was!“, ruft er ins Publikum, „Was? Alle zufrieden? Das ist ja wie bei der Wahl in Nordkorea!“ Dann sollte sich Kim Jong-un vom Wirtz-Grinsen mal was abgucken.
Mit großem Ernst zieht der dagegen seine Triangeleinlagen durch. Und schließlich ist auch Publikumsengagement gefragt: „Wie oft darf man schon in einer Kirche schreien? Der Song heißt ‚Frei‘!“ und hier kann der Refrain gar nicht laut genug mitgesungen werden. Der Wirtz heizt ein, bis die neuromanischen Säulen wackeln. „Ich komm wie immer gut klar bei euch“, freut er sich, „und ich würde ja tendenziell in die Stadt ziehen, wenn das Nachtleben nicht so hart wäre… aber sonst gäbe es dann noch eine dunkle Platte und dann: Haste den Wirtz gesehen? Nee, das letzte Mal auf so’ner Unisex-Clubtoilette…“ Damit hat er die Lacher auf seiner Seite und wird vom Kirchenpublikum noch ein bisschen mehr geliebt als vorher (wenn das überhaupt noch geht).
Es folgt: die Bandvorstellung. Wirtz gibt gern etwas ab von seinem Akustikruhm, es werden Schnurrbärte und Pianisten gefeiert – und dann spielt er auf dem Glockenspiel eine winzigen „Stairway To Heaven“-Auftakt, bevor der vorletzte Song „Mon Amour“ loslegt.
Danach kommt die große Verbeugung, das ganz große Strahlen und großes Klatschen mit Standing Ovations. Aber dem Wirtz ist es nicht genug – die zu zaghaften Zugabe-Rufe verstärkt er kurzerhand selbst per Mikro: „Zugabe? Ihr müsst das schon wollen!!“ Damit entfesselt er einen regelrechten Pfeif- und Brüllsturm, der mit „Wieder Mal ‘ne Nacht“ belohnt wird.
Danach hat der Wirtz sein Ziel erreicht: „Mich holt die Platte an stressigen Tagen immer runter. Ich hoffe, bei euch ist das auch so.“ Zumindest bei mir hat’s geklappt: Am Anfang stieß mir die Abwesenheit von rockiger Emotion noch hier und da auf, aber im Endeffekt war es großartig. Ruhig, sympathisch, strahlend – schon so ziemlich obergeil eben.
Alle Fotos zum Konzert gibt es bei music-heritage.com!
Setlist
- Erster Stein
- Sag es
- Kinder
- Ne Weile her
- Scherben
- Meilenweit
- Meinen Namen
- Heute weiß ich
- Strom der Zeit
- Geschichten
- Feind
- Keine Angst
- Hier
- Der lange Weg
- Frei
- Nada Brahma
- Hol mich heim
- Mon Amour
Zugabe
Wieder mal ‘ne Nacht
Orr! Sie sehen mich angemessen sanftneidisch ergelben, Frau Rocknroulette. Aber danke für’s wenigstens lesend Dabeigewesenzuseingefühl. Hach…
aber gern. war wirklich schön mit der strahlebacke.