Rumhuren ist bei Männern völlig ok. Mehr als das: Pornos, Rudelbumsen, Resteficken – das volle Programm ist quasi ein Muss für jeden heranwachsenden Gentleman. Es gibt sogar spezielle Ausdrücke dafür: „sich die Hörner abstoßen“, sich „austoben“ und „seine Freiheit genießen“. Wer das nicht regelmäßig tut oder nicht mal eine schlimme Trennungsphase voll versauter Aktivitäten hinter sich hat, mit dem stimmt ja wohl irgendwas nicht.
„Wie, Alta, du hast noch nie…? Von der Nutte bis zur Lochbruderschaft fällt mir auf die Schnelle nichts ein, was gesellschaftlich nicht voll toleriert würde – bis auf Pornos drehen vielleicht. Doch da habe ich nur vermutlich bloß noch keinen Kerl getroffen, der das von sich behaupten konnte.
Doch abgesehen davon, dass sich Callboys immer noch nicht so recht durchgesetzt haben – was ist eigentlich mit den Ladies? Wenn ich in gemischter Runde verkünde, dass Sex meine Nummer Eins der Freizeitaktivitäten ist, dann muss der Haufen schon schwer alkoholisiert sein, um das zu feiern. Wenn ich dann detaillierter von dem erzähle, was Freunde mein „promiskuitives Leben“ nennen, wird es erst mal still.
Dabei mache ich nichts, was nicht mindestens 80% der jeweils anwesenden Typen tut oder getan hat: One-Night-Stands, Affären, heute hier – morgen da. Allerdings existiert es dafür kein passendes Vokabular. Und nach einer solchen Erzählung bekomme ich entweder anonyme Anrufe, bei denen mit unterdrückter Nummer ins Telefon gestöhnt wird – oder es meldet sich überhaupt nie wieder einer bei mir.
Oder Moment – eine dritte Möglichkeit gibt es noch: Die Schlampen-Variante.
Diese Möglichkeit der Reaktion wurde mir gegenüber bisher ausschließlich von Männern genutzt. Und zwar von ganz unterschiedlichen Typen:
Der Erste war ein netter Kerl. Nicht „nett“ im Sinne von der kleine Bruder von „scheiße“, sondern wirklich nett: Seine große Liebe hatte ihn eine Woche vor der Hochzeit im selbstgebauten Haus sitzenlassen. Seine erste ernsthafte Beziehung danach war eine Prostituierte – kein Scherz: Er wusste es nicht und blieb auch dann bei ihr, als es schließlich rauskam. Sie war es, die ihn schließlich verließ. So landete er in meinem Bett, mit einer Erkältung und etwas, das man beim besten Willen nicht als Ständer bezeichnen konnte. Aus Sex wurde also nichts, stattdessen plauderten wir ein bisschen über unsere Vergangenheiten. Und zum Abschied fragte er: „Fühlst du dich nicht nuttig mit den ganzen Kerlen?“
Der Zweite war ein nicht ganz so Netter. Er war egoistisch und selbstverliebt, aber für eine Affäre brachte er genau das mit, was frau braucht: Einen Sixpack, dicke Arme und ein hübsches Lächeln. Wir hatten ein paar Mal wirklich Spaß – bis ich ihm sagte, dass ich an weiteren Kontakten nicht interessiert sei. Ich habe das sehr freundlich formuliert, immerhin war der Grund ein anderer Mann, in den ich mich verliebt hatte. Zwecklos. Vom abservierten Stecher kam nur ein „Meld‘ dich nie wieder bei mir, Schlampe“ zurück.
Der Dritte war ein wirklich Netter, der leider zu viel wusste – eine von diesen entspannten Affären, mit denen man auch mal Kaffeetrinken oder auf Partys gehen kann. Und bei denen sich früher oder später immer einer verliebt. In diesem Fall war er es. Und ich war der Arsch, zugegeben: Ich hab’s geahnt und bin trotzdem weiter mit ihm ins Bett gegangen. Da haben wir dann nicht nur gevögelt, sondern auch ernsthafte Gespräche geführt, über den Sinn des Lebens und den Wunsch, mal eine Familie zu gründen. Und während er eines Tages danach in seine Boxershorts stieg, sagte er: „Du könntest längst einen Freund haben, wenn du nicht gleich immer mit jedem ficken würdest.“
Drei Männer, drei Situationen – und immer die gleiche Aussage. Keiner der Herren war ein Mauerblümchen, oh nein: Nummer Eins hatte zwischen Verlobtenschwund und Nuttenfreundin diverse Fickverhältnisse gepflegt. Nummer Zwei hatte sein Eisen außer bei mir noch in diversen Feuern und Nummer Drei war durchaus erfreut gewesen, dass er ohne Umschweife zum Zuge und auch sonst kommen konnte.
Der Vorwurf der Schlamperei kam damit direkt von ihren Nutznießern: Keiner der drei war ein Beziehungskandidat und wäre sonst nie in meiner Kiste gelandet. Der Schlampen-Stempel wurde auch erst dann gezückt, als es für den Herrn der Schöpfung nicht so lief wie geplant. Kurz: Als er sein Horn nicht abstoßen konnte, aus welchen Gründen auch immer.
Den daraus resultierenden Frust versteh ich, die Frage ist nur: Wollten sie mir nur zum Ausgleich eins reinwürgen – oder haben sie die ganze Zeit so von mir gedacht? Und haben das Schlampenurteil nur so lange nicht ausgesprochen, wie sie selbst von meiner Freizügigkeit profitieren konnten? Ich komme zu keinem Ergebnis, eins bedingt das andere. Einer Frau ihr Sexualverhalten vorzuhalten löst in der Regel so viel Scham aus wie genau dasselbe bei Männern gefeiert wird.
Aber wie definiert sich Schlampe überhaupt? Der Duden sagt: „1. unordentliche, in ihrem Äußeren nachlässige und ungepflegte weibliche Person, 2. Frau, deren Lebensführung als unmoralisch angesehen wird.“
Eine unmoralische Lebensführung: sich von jedem flachlegen lassen, alles mitmachen und den eigenen Wert daran messen, wie viele Hände man gleichzeitig zwischen den Beinen hat? Oder in meinen Worten: mir den nehmen, der mir gefällt, Erfahrungen sammeln und Spaß an meiner Attraktivität haben? Auf der Suche nach einer differenzierten Bedeutung fand ich in einem Forum übrigens auch folgende Erklärung: „Eine Schlampe ist eine Frau mit der Moral eines Mannes“.
Was wohl der beste Beweis ist, dass sich seit Freud, seit dem Mittelalter – ach, seit der Steinzeit! – nichts geändert hat. Ich Tarzan – du Jane, Frauen gehören an den Herd und vor allem: Alles Schlampen außer Mutti!
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Nachtrag: Diesen Trash-Artikel hatte ich ursprünglich für das Amy&Pink-Magazin geschrieben. Er wurde angenommen und veröffentlicht – allerdings unter dem unabgesprochen vom Herausgeber geänderten Titel “Warum ich stolz darauf bin, eine Schlampe zu sein”- Das habe ich als Aussage weder in meinem Beitrag, noch sonst über mich gesagt habe. Und das werde ich auch nie.
Auf meine mehrmalige Aufforderung, den Titel umgehend zu ändern, hat der Herausgeber Marcel Winatschek in keinster Weise reagiert – und dies ist der Grund, warum mein Text nun nur noch hier, auf meinem eigenen Blog, zu finden ist.
Du schreibst „sich von jedem flachlegen zu lassen“. Da geht es doch schon los. Der Mann legt angeblich flach und die Frau lässt angeblich legen. Das muss sich angleichen, dann wird auch der Rest besser werden
stimmt! sehr gut beobachtet – und von mir so nocht gar nicht gesehen. die gender-fans könnten tatsächlich mehr augenmerk auf solche passiv-/altiv-konstruktionen als auf ihr geliebtes …-er/innen legen.
so schieflagen gibt’s genug… diese, von dir beschriebene, angeblich (hab ich mal wo gelesen) auch aus folgendem grund: männern ist sexuelle treue wichtiger, frauen ist die gefühlsmäßige treue wichtiger. daher wird bezüglich frauen (=theoretisch mögliche partnerinnen), die wechselnd viele sexualpartner haben, eine potenzielle untreue assoziiert. oder so ähnlich 😉
es kann gut sein, dass es auch was mit untreue zu tun hat. aber ich verstehe noch nicht ganz…: männern ist sexuelle treue wichtiger = die frau kann im kopf ruhig woanders sein? frauen ist gefühlsmäßige treue wichtiger = er kann ruhig durch die betten steigen, solange er nur sie liebt?
ja, überspitzt ausgedrückt, so war’s da gemeint, denke ich. finde jetzt die quelle nimmer… der mann fragt die untreue freu: „hast du mit ihm geschlafen?“ die frau fragt den untreuen mann: „liebst du sie?“
hast aber sehr schön eine der vielen, tw. auch lästigen geschlechterrollen, wo auch hie und da mit ungleichem maß gemessen wird, beschrieben 🙂
dankeschön 🙂 und du hast recht, da gäbe es noch viel mehr, was mal aufgeräumt werden müsste.
Zum Thema sexueller Gleichberechtigung lese ich bei zwei Damn aus meiner Blogroll scheinbar unterschiedliche Statements – im Grunde aber unisono:
sinn.wort.spiel.(«nein, es darf auch mal wild sein, ausgeflippt, vielleicht sogar ein wenig verrucht.»): http://sinnwortspiel.wordpress.com/2011/08/ mit einem Link zu den «Ersties»: http://ersties.com/
und «sunflower22a» («Irgendein altrömischer Philosoph hat mal gesagt, wenn die Frauen «uns» gleichberechtigt wären, wären sie «uns» überlegen.»): http://sunflower22a.wordpress.com/2013/12/16/frauen-im-selbstmitleid-modus/ mit einem Link zu «Emma»: http://www.emma.de/artikel/wo-ist-die-girl-power-hin-312679
Kritische männliche Gedanken suche ich vergeblich, in einschlägigen sexistischen „Mundart“ Foren äußern sie sich jedenfall ausführlich.
vielleicht liegt es daran, dass männer dazu nicht viel zu sagen haben. und zwar sowohl negativ (in den „einschlägigen foren“) als auch positiv – wenn sie nämlich aufgeschlossen & aufgeklärt sind 🙂
werde mir deine links auch gleich mal zu gemüte führen… danke dafür!
„Wenn ich in gemischter Runde verkünde, dass Sex meine Nummer Eins der Freizeitaktivitäten ist, dann muss der Haufen schon schwer alkoholisiert sein, um das zu feiern. Wenn ich dann detaillierter von dem erzähle, was Freunde mein „promiskuitives Leben“ nennen, wird es erst mal still.“
gut beschrieben. Genauso ist es. Traurig aber wahr. und leider ist es in den letzten 10 Jahren eher schlimmer geworden. Andererseits gibt es auch immer mehr Ladies die das nicht mitmachen….
es liegt ja irgendwo an uns, daran was zu ändern. ich bin da gar nicht genderinteressiert, aber entweder den mund trotzdem nicht halten oder/und einfach einen scheiß auf das zu geben, was die anderen sagen, könnte der erste schritt sein.
Herrlicher Text! Gut erkannt würde ich sagen.
Oliver 2.0
danke! manchmal wird mit dem holzhammer das auge geöffnet 🙂
Ja, das brauch ich auch manchmal.
ach, wer braucht das nicht 🙂
Da gibt es so einige diverse Gründe, warum all das für Männer okay ist, aber wenn Frauen es tun, eben nicht. Ich glaube, alles resultiert aus Angst.
a) Männer haben scheinbar eine tiefsitzende Angst, dass sie nicht der Vater des Kindes sind, für dessen Ressourcen sie aufkommen. Frauen hingegen wissen immer, dass es ihr Kind ist.
b) Für Männer sind die Popp-Konkurrenten auch dann noch anwesend, wenn eine Frau sich ihnen hingibt.
c) Männer betrachten deshalb Frauen auch ein wenig als „Etwas“, das ihnen gehört und auf das sie aufpassen müssen. Daraus resultiert der Gedanke: Wenn mal etwas „benutzt“ worden ist, dann ist es nicht mehr „ganz neu“.
d) Die Sexualität der Männer ist der „aggressive, aktivere“ Part, zumindest meistens. Selbst wenn nicht, ist das „etwas reinstecken“ scheinbar „aufwühlender“ und „aggressiver“ als das „in sich aufnehmen“. Ein Schwanz kann verletzen und weh tun, eine Muschi eher nicht.
f) Aus c + d ergibt sich das „Schmutzige“, das Männer Frauen antun: Sich entleeren = Frau ist nun schmutzig.
e) Frauen „riskieren“ mehr, wenn sie Sex haben, deshalb scheint es dafür viele Gründe zu geben, dass sie „gefälligst“ vorsichtiger sein sollte (mögliche Schwangerschaft)
Das alles sind völlig normale „Vorgänge“ und Eigenschaften unserer Sexualität, aber sie werden aufgrund von einer Ur-Angst in einer Art interpretiert und bewertet, die es uns Frauen schwer macht, völlig natürlich zu uns zu stehen. Der Gedanke, dass eine Frau mit vielen Männern schläft, ist erst einmal okay, aber für viele ist klar „Mit der will ich keine Beziehung“. Und sobald man den Mann abweist, macht er einem dann klar, dass man eh nichts Ernstes haben wollte, weil: Du Nutte.
Mir passiert das zuweilen allein deshalb, weil ich auf Anmachen nicht eingehe oder freundlich ablehne. Gerade von türkischen Männern habe ich dann oft gehört „Hau mal ab, du H*re, wer will denn was von dir?“ Voll mies. Ich fühle mich dabei immer mies. Ich beleidige zwar übelst zurück (wie, sage ich jetzt nicht), aber es trifft mich sehr.
Der Grund, warum es mich sehr trifft ist, weil auch ich die männlichen Regeln verinnerlicht habe – ohne es zu wollen.
😦
vielen dank für deinen durchdachten und sehr interessanten kommentar! das ist ja schon eine richtig wissenschaftliche analyse, offenbar hast du dir wirklich schon viele gedanken dazu gemacht.
ich stimme mit allem und besonders deinem letzten punkt überein: selbst wenn man anders lebt, wird man die maßstäbe der gesellschaft noch lange nicht los. unfassbar, wie oft man umlernen und umdenken muss, bis man endlich unbelastet man selbst sein kann – wie auch immer das aussieht.
Endlich. Eine Frau, die zugibt Sex zu mögen und ihn sich zu nehmen! Vielen Dank.
drüber reden hat schon die meisten türen eingerannt 🙂 merci!
Oder anders gesagt: Gott sei Dank, ich bin nicht allein 🙂
jeder ist irgendwo allein, wenn’s ans entscheiden geht… aber meistens gibt es schon jemanden, der’s genauso macht!
…oder auch genau so nicht macht. Denn so wie es für Frauen sich nicht gehört über selbstbestimmten Sex zu reden, ist es für Männer ein Tabu, zuzugeben, dass mann keinen Sex hat. Es in einer Männerrunde zuzugeben hat die gleiche Wirkung: betretenes Schweigen.