(Luftfahrtmuseum Finowfurt) Das Achtelmeilen-Rennen in Finowfurt ist zwar ein Weekender, aber für seine Startergirls beginnt das Race schon viel früher, nämlich bei der Casting-Show im Berliner Roadrunner’s Paradise. Die Bewerberinnen sind zahlreich und der Wettbewerb hart: Hier werden nach einer Vorauswahl aus 14 Favoritinnen 8 Mädchen gekürt, die hautnah auf der Startbahn dabei sein dürfen.
Dabei zählen – anders als vermutet – nicht nur optische Kriterien. Die Mädchen sind zwar auch für die Stimmungsmache auf dem Race zuständig, aber Chef-Starterlady Sammy verdeutlicht, warum ihre Girls dennoch unbedingt aus den Kategorien „hübsches Beiwerk“ und „dumme Püppchen“ herauszuhalten sind: Anders als bei üblichen Rennen wird die Startampel beim Race 61 vor den Blicken der Fahrer versteckt, damit übernehmen die Mädchen die genaue Einweisung an der Lichtschranke und das Startsignal. In vier Stunden Workshop trainieren sie außerdem schon vor dem Contest die richtigen Fahnenzeichen, denn mit ihren exakten Bewegungen steht und fällt der Start auf der Rennstrecke.
Was für das Publikum so dekorativ nach Fähnchenschwenken aussieht, ist dabei harte Muskelkater-Arbeit – und Adrenalin pur, denn die Startergirls stehen mitten zwischen den oft einmaligen Custom Cars, polierten Oldtimern und knatternden Motorrädern. In ihren Ohren dröhnen die röhrenden Motoren, sie riechen den Duft nach verbranntem Gummi und Benzin und spüren die Vibration beim Start in der Magengrube.
Aber bevor es so weit ist, müssen sie sich unter den strengen Augen der Jury (darunter Djamila, die dreifache Gewinnerin vorjähriger Startergirl-Contests) im Roadrunner’s erst einmal beweisen: Dhasmila wäre am liebsten auch in diesem Jahr wieder selbst dabeigewesen – aber 2013 sind die glücklichen Gewinnerinnen am Ende Frollein Lotti, Mary-Jenn, Miss Hawaiian Sun, Ronja, Sally-Ann, Sophie, Seniora Samira und Publikumskandidatin Kitty.
Frollein Lotti:
Als sie im Roadrunner’s auf die Bühne gerufen wird, hat sie tatsächlich etwas Pipi in den Augen – dabei steht die „Lorbeergeschmückte“ alias Laura eigentlich mit beiden Beinen fest in ihrem umtriebigen Leben: Sie ist in erster Linie im Buchhandel tätig, organisiert nebenher Veranstaltungen und ist als Frollein Lotti Model aus Leidenschaft. Dabei fühlt sie sich in den 50s wie zuhause und weil sie noch nie beim Race61 war, freut sie sich besonders auf das Wochenende: „Ich liebe das Adrenalin, den Geschwindigkeitsrausch, das Tuckern und Schnurren der Motoren. Ich weiß einfach, ich gehöre auf die Rennstrecke.“
Mary-Jenn:
Beim Contest fallen mehr als einmal die tollen Namen der Kandidatinnen auf und man fragt sich unwillkürlich: Heißen die wirklich so? Nein, tun sie nicht. Aber mit ein wenig Fifties-Fantasie wird aus der alltäglichen Jennifer ruck-zuck eine Mary-Jenn. Die Sprachschuldirektorin fühlt sich dementsprechend in der Welt des Race 61 vollkommen zuhause und wollte eigentlich schon vor Jahren einmal Startergirl sein: „Ich wollte nur ein einziges bestimmtes Rennen mit großer Bedeutung starten, nur fand dieses Rennen damals nicht statt. Beim Season‘s Opening war es dieses Jahr dann endlich so weit: Ich habe zwei Stunden lang wirklich tolle Autos gestartet und Blut gerochen.“
Sally-Ann:
Andrea aka Sally-Ann macht derzeit ein Praxissemester in Berlin, eigentlich studiert sie nämlich im fernen Schwabenländle. Der Startergirls-Contest war ihre Chance, um sich einen langehegten Wunsch zu erfüllen: „Ich bin nicht so jemand, der die Fifties nur am Wochenende bei Veranstaltungen auslebt, für mich ist das ganz normaler Alltag. Schon seit ein paar Jahren dreht sich bei mir alles um den 50s-Stil, Musik und das pure Lebensgefühl der guten alten Zeiten. Klar, da gehört natürlich auch der richtige fahrbare Untersatz dazu! Mein Traum war schon immer, zwischen zwei Hot Rods zu stehen und den brummenden V8-Motor zu spüren. Gänsehautfeeling pur, sag ich da nur!“ Bisher hat sie sich diesbezüglich eher im Süden herumgetrieben, etwa beim Kustom Kultur, und die Freude auf das Race61 ist jetzt umso größer: „Am Anfang hätte ich nie gedacht, dass ich beim Contest so weit komme, aber ej! ich bin dabei! Und es wird großartig.“
Miss Hawaiian Sun:
Auch wenn sie am liebsten immer nur Startergirl wäre – in ihrem Everyday-Life arbeitet sie als Krankenschwester in einem Wohnheim für behinderte Kinder und Jugendliche. Eine Schwäche für Pferdestärken hat sie nicht nur auf dem Asphalt, sondern auch beim Voltigieren. Aber als sie 2012 zum ersten Mal als Startergirl beim Race dabei sein durfte, sprang der Hot-Rod-Virus endgültig über: „Verstehen können das wahrscheinlich nur Menschen, die selbst infiziert sind. Die heißen Kisten, die tollen Klamotten, der Rhythmus der Musik… das lässt mich einfach nicht mehr los! Fabulös!“ In diesem Jahr freut sie sich besonders auf „das Kribbeln im Bauch, kurz vorm dem Start.“
Sophie:
Eigentlich arbeitet Sophie als Personalvermittlerin. Mit Hot Rods und Fifties-Feeling taucht sie gern in eine ganz andere Welt ein, die fernab vom grauen Büroalltag liegt – besonders wenn sie dabei das Kommando über zwei coole Autos oder heiße Motorräder bekommt.
Seniora Samira:
Diese Lady ist für jeden Spaß zu haben, dem konnte auch das klatschnass verregnete Rennen 2011 nichts anhaben. Damals war sie das erste Mal als Startergirl dabei und entschied: „Ich werde mich ganz penetrant jedes Jahr bewerben“, denn direkt auf der Rennstrecke zu stehen, bedeutet für sie Spaß und Gänsehaut pur. Und ganz nebenbei hat sie sich hier auch noch in die Fifties verliebt.
Ronja:
Wenn man Ronja beschrieben will, zitiert man sie am besten kurz und knackig selbst: „Rock’n’Roll und dicke Titten!“. Aber natürlich steckt noch mehr in ihr: Im normalen Leben ist sie in erster Linie Mama – mit Stil: „Die fünfziger Jahre begleiten mich… sei es in der Musik, die ich höre, der Kleidung, die ich trage oder den Möbeln, die ich mir in meine Wohnung stelle. Diese Zeit gibt mir ein gutes unbeschwertes Gefühl. Und da gehören schnelle Rennen mit heißen Öfen einfach dazu!“ Ronja ist in diesem Jahr schon zum dritten Mal als Startergirl dabei – 2009 war sie sogar Startergirl des Jahres.
Kitty:
Als Kitty sich im Roadrunner’s Paradise spontan zur Teilnahme am Startergirl-Contest entschloss, sah sie in weißen Kniestrümpfen und superkurzen Jeans nicht aus, als sei sie im echten Leben im Einzelhandel und als Mama unterwegs.
Tatsächlich strahlt sie an diesem Abend wie auch beim Race61 pure Liebe zu den Fifties aus: „Für mich ist es eine Lebenseinstellung! Rock‘n‘Roll, tolle Autos, tolle Menschen, die alle etwas Besonderes sind!“ So scnell kann’s manchmal gehen: Dieses Jahr ist Kitty zum ersten Mal überhaupt auf dem Race – und das gleich als Startergirl. Damit wäre ihre letzte Prämisse auch bestätigt: „… und man hat immer wahnsinnig viel Spaß!“
Bei so vielen coolen Girls wäre die große Wahl zum Startergirl 2013 sicher schwer gefallen. Allerdings kommt es 2013 alles anders als erhofft.
Während am Freitag die ersten glänzend polierten Dodges, Chevrolets, Cadillacs, Käfer, Camaros, Harleys… auf das Gelände rollen und in den Hangars auf dem ehemaligen Fluggelände bis in die frühen Morgenstunden gefeiert wird, steht der Samstag unter einem ganz anderen Vorzeichen. Bevor um 12 wie geplant die Rennen beginnen, beginnt am Himmel ein Kunstflieger mit seiner Propellermaschine waghalsige Runden zu drehen. Nach einem Steilflug, bei dem er den Menschen auf dem Gelände viel zu nahe kommt, setzt er viel zu flach zu einem Kopfüber-Flug an, der tödlich endet. Kurz hinter der Startbahn touchiert der Pilot mit einem Flügel den Boden und überschlägt sich. Polizei und Feuerwehr versuchen zu retten, was zu retten ist, aber der erste Renntag ist damit gelaufen.
Obwohl der Flug nicht zum geplanten Programm gehörte, sagt die Rennleitung alle geplanten Starts für den Samstag ab. Die Stimmung im Publikum reicht von schockiert bis wütend, alle sind bedrückt und sogar das Wetter schlägt in Regen um. Ein trauriger Tag auf dem Race61, auch für die Startergirls.
Keine von ihnen ist mehr in Jubelstimmung. Dass wegen des Unfalls ihre Rundfahrten über das Gelände ausfallen, bei denen sie sonst die Stimmung im Publikum anheizen und für gute Laune sorgen, ist da selbstverständlich. Auch der Wettbewerb zum Startergirl 2013 am Abend wird abgesagt.
Am Sonntag stehen alle noch unter Schock – dass an diesem Tag doch noch Rennen auf dem programm stehen, wirkt wie eine erlösende Therapie: Ausnahmsweise treten alle Baujahre bis 1976 heute gemeinsam an. Allerdings nur für knappe 2,5 Stunden, denn viele Fahrer sind bereits wieder mit ihren Gefährten auf dem Heimweg. Trotzdem: Die Startergirls dürfen sich noch einmal richtig austoben und sogar das Wetter macht mit.
Die Laune ist immer noch etwas gemischt, allerdings schweißt so viel Erlebtes auch zusammen: voraussichtlich wird Sammy die Gewinner-Schärpe bei der Aftershow Party im Roadrunner’s Paradise feierlich in acht Stücke teilen und jedes davon einem der acht Mädchen überreichen.
Für den echten Höhepunkt sorgt allerdings ein knallgelber Chevrolet Impala, der als Low Rider gemächlich wippend seine Rennrunden fuhr und die Mädels zum Abschluss auf eine Triumphfahrt über die Rennstrecke einlädt. Jetzt dürfen sie jubeln – und in so einem heißen Schlitten können sie auch gar nicht anders.
… mehr Fotos vom Race61 gibt es hier.