Gerockt, nicht geschüttelt #24: Es gibt sie – die Momente, die das Leben für immer verändern. Vergessen wir mal die erste Liebe, das erste Wort und diesen ganzen Schischi und konzentrieren wir uns auf das Wesentliche: Musik. Mein Leben in drei Alben (und etwas mehr).
Mein erstes Lieblingslied und meine erste Schallplatte im zarten Alter von vier Jahren war „An der Nordseeküste“ von Klaus & Klaus. Ungefähr zur selben Zeit sah ich The Kelly Family bei einem Auftritt in der Hannoverschen Fußgängerzone, aber die machten mir nicht halb so viel Eindruck wie die panflötenspielenden Indianergruppen, die da auch regelmäßig auftraten. Meine erste Kassette bekam ich dementsprechend von den Ecuador Inkas. „Traditionelle Musik aus den Anden Vol. 3“. Hab ich heute noch.
Was ich nicht mehr habe, ist meine erste CD – die Backstreet Boys mit „Backstreet’s Back“. Irgendwie haben mich die fünf Milchbubis auf Dauer nicht beeindrucken können. Ganz anders: Die FabFour. Die Pilzköpfe. Die Vier aus Liverpool. Kurz: Die Beatles.
Keine Ahnung, ob früher auch schon das heutzutage übliche Blut-und-Bomben-TV-Programm über die Bildschirme fetzte – auf meinem Fernseher lief Weihnachten 1996 „The Beatles Anthology“. Und davor saß mit roten Ohren und glänzenden Augen ein vor Hingabe dahinschmelzender Teeny und verliebte sich in Paul McCartney. … oder nein, doch lieber in George Harrison, der hatte viel süßere Segelohren. Welcher von beiden mein Kleinmädchenherz letztlich zum Kochen brachte, spielt letztlich keine Rolle. BÄM! Mit der „Anthology“ begann ich, mich ernsthaft für Musik u zu interessieren. Außerdem entwickelte ich eine Sammelwut von biblischen Ausmaßen.
Ich konsumierte alle Beatles-Alben, die Solo-Veröffentlichungen und allerlei Schwarzgebranntes, katalogisierte Memorabilia und Zeitungsartikel aus den vergangenen 35 Jahren, sammelte Figuren, Autogramme, Filme und Bücher. Dazu kamen Schlaghosen und sämtliche „Begleit“-Musik von Stones bis Hendrix. Bis heute kann ich auf Knopfdruck immer noch diverse Details aus der FabFour-Parallelwelt herbeten und besitze eine riesige Beatlessammlung, die ich nie hergeben würde.
Dennoch ließ meine Beatlemania mit den Jahren nach. Ich hatte die Zeit verpasst, in der alle anderen Nirvana hörten. Oder Misfits. Oder Pearl Jam. Janis Joplin, Dylan und John Lennon waren mir gute Freunde geworden, aber jetzt brauchte ich etwas Neues. Und ich fand es.
Ich saß auf einem Bett in einem Studentenwohnheim, in der Küche kochten irgendwelche Spanier kiffend Spaghetti und im Radio lief dieses Lied: “I walk a lonely road/ The only one that I have ever known/ Don’t know where it goes/ But it’s home to me and I walk alone”… BÄM!! Green Day. American Idiot. Diese Band war wie alle anderen ihrer Generation an mir vorbeigezogen, mitsamt Kind, Kegel und Basket Case. Jetzt traf mich der Punkrock wie ein Schlag.
Vielleicht war ich zu Beatleszeiten noch zu jung (aber wo hätte ich auch zu Simon & Garfunkel abrocken gehen sollen?), jetzt wollte ich tanzen. Bis in die frühen Morgenstunden und zum Einschlafen lautstark Musik hören. Ich habe mir den Text von „Boulevard of Broken Dreams“ in großen Buchstaben übers Bett geschrieben, meine Schlaghosen an den Knien aufgefetzt und meine abgeranzten Chucks aus dem Schrank geholt. Habe Partys veranstaltet, bin auf Festivals gefahren und war glücklich. Pausenlos war Sommer, so fühlt sich die Zeit heute an. Könnte allerdings auch am aktuellen Dauerdepressionsgrau vorm Fenster liegen.
Von den Goldenen Sechzigern zu den letzten Schnaufern des Post-Punk-Rock… danach bin ich ein bisschen durch Metal und Hardrock getrapst, ein bisschen SOAD, ein bisschen AC/DC und Iron Maiden, von dort zu Deutschrock (zu dem war es von den Ärzten und den Hosen ja nicht weit) und Rock’n’Roll, aber richtige Klatschen waren für mich da nicht dabei.
Auf der Suche nach neuem Stoff habe ich mich quer durch laut.fm und sämtliche User-Generated-Stationen geklickt, die auch nur irgendwie nach Rock’n’Roll klangen. Oder nein, nicht Rock’n’Roll sollte es sein… sondern irgendwie… wilder. Mehr. Mehr als Elvis. Sozusagen. Denn besser konnte ich es damals noch nicht formulieren. Und beim Durchhören der Fritzer’n’Roll-Playlist stieß ich immer wieder auf dieselbe Band: Sir Psyko & His Monsters.
Psychobilly. Diese Mischung aus Alt und Neu, aus Rockabilly und Punk – das war es. Ein Kreischgirlie bin ich lange nicht mehr (die Frontbrüder Ben und Dominik sind obendrein eine ganze Ecke jünger als ich), aber hier kam BÄM!!! die Dritte. Das Album „Reaper’s Tale“ habe ich am selben Tag bestellt. Rauf- und runtergehört. „We are the gun, we are the knife/ We are the axe between your eyes…“ Die Zombie-Lyrics mögen düster, blutig und ihre Vertreter nicht immer ganz ernst zu nehmen sein – aber ich bin addicted. To the Dark Side of Rock’n’Roll.
The Beatles „Anthology“, Green Day „American Idiot“, Sir Psyko & His Monsters „Reaper’s Tale“. Ein Abriss von knapp 50 Jahren Musikgeschichte und ein Sinneswandel von „She Loves You“ bis „Rockin‘ In The Graveyard“.
Die drei Alben, die jedes für sich mein Leben verändert haben – und wie sieht euer musikalische Werdegang aus?
über Klaus und Klaus zu den BackstreetBoys, das ist hart, aber dann hast Du ja die Kurve schnell gekriegt… naja, was soll ich sagen, bei mir war es eine Platte, die ich zusammen mit meinem Vater gehört habe, Wenke Myrrhe, Knallrotes Gummiboot, Hauptsache, man findet dann doch noch in die Spur…
Liebe Grüße, Kai
ja, das war eine ganz ordentliche 180-grad-kehre… aber wir haben’s ja noch geschafft 😀 rockseidank.