Gerockt, nicht geschüttelt #22: Heute vor 50 Jahren veröffentlichten die Beatles mit “Please Please Me” ihr Debüt. Lang, lang ist’s her, und doch wäre die Musikgeschichte ganz anders verlaufen, wenn es die Vier aus Liverpool nicht gegeben hätte. Ich habe mir überlegt, was heute sein könnte, wenn es sie noch gäbe.
Reunion! Die Beatles sind wieder zusammen und nehmen 50 Jahre nach ihrer ersten Platte ein neues Album auf! Wie ein Lauffeuer verbreitet sich dieses Gerücht über die Medien. Neben überschwänglicher Freude unter den Fans gibt es auch nachdenkliche Stimmen, die eine Reunion kritisch als Zerstörung vergangener, glanzvoller Zeiten werten.
Auf den Straßen vor den Abbey Road Studios ist von diesen Zweifeln allerdings nichts zu spüren. Lennon, McCartney & Co. schweigen bislang zu allen Vermutung, sitzen hinter verschlossenen Türen und … tun was? Proben, aufnehmen oder auch nur mit ihrem alten Produzenten George Martin plaudern? Was immer drinnen geschieht, draußen stellt sich der allgemeine Rummel – in den 60ern als Beatlemania bekannt – wieder ein: Auf den Straßen in der Nähe der Studios ist kein Durchkommen mehr möglich und Fans aller Altersklassen belagern die Häuser ihrer Idole.
Auch die Presse belauert jede Bewegung der FabFour, und eines Abends geben Ringo Starr und George Harrison beim Verlassen der Abbey Road Studios ganz überraschend doch ein Interview. Fragen nach einem neuen Album und laufenden Studioaufnahmen tun sie mit einem geheimnisvollen Lächeln ab und lassen sich nur einen respektlosen Kommentar entlocken: „Es geht doch bei Wiedervereinigungen immer nur ums Geld, das schreiben Sie doch gern, oder? Wenn wir eine neue Platte machen würden, möchten wir damit natürlich etwas verdienen. Also gehen Sie brav in den Plattenladen, und wenn es dann ein Album gibt, werden Sie es schon verkauft bekommen.“
Die Frage, ob im Studio zwischen den Beatles immer noch alles beim Alten sei, wird ebenfalls locker beantwortet: „Ich glaube, die Mischpulte hatten früher weniger blinkende Lämpchen“, überlegt Ringo, und George ergänzt: „Zwischen uns hat sich auf jeden Fall etwas geändert. Die Mikros hingen früher noch nicht von der Decke, die standen überall herum. Und diese ganzen Kabel haben unsere Beziehung schon manchmal recht verwickelt gestaltet.“
Bevor die beiden zu ihren Autos verschwinden, bleibt noch eine letzte Frage: „Stört euch die Belagerung durch die Fans heute mehr als früher?“. George antwortet: „Manchmal geht es einem schon auf die Nerven, weil man nirgends mehr hingehen kann. Aber es ist nun einmal so – einmal ein Beatle, immer ein Beatle. Wenn ich das damals gewusst hätte… (lacht), na ja, man lernt, damit zu leben.“ Ringo kommentiert: „Alles ist, wie vor 40 Jahren. Egal, wo ich meine Nase zeige, überall grabscht sofort ein Fan danach und dann gebe ich doch wieder Autogramme. Es ist genauso als wäre man in einen Jungbrunnen gefallen. Nur dass ich früher schneller war! Gestern haben sie mich auf dem Weg vom Auto zur Haustür doch tatsächlich erwischt! Schon wieder eine Jacke hin.“
Weniger auskunftsfreudig reagiert John Lennon, als er von Reportern in seinem geheimen Domizil aufgestöbert wird. Aus dem Fenster im ersten Stock seines ehemaligen Hauses in Ascot beantwortet er die ersten Fragen nach den laufenden Studioaufnahmen eher ungeduldig. Beim Thema der ständigen Belagerung schlägt schließlich sein Temperament durch: „Verdammt, nun lassen Sie uns doch mal in Ruhe! In unserem Alter… da braucht man sein Schläfchen auf der Couch und keine Rabauken, die einem dabei an die Wohnzimmertür klopfen. Wissen Sie, wie ich neulich in das Haus eines Freundes gekommen bin, nachdem irgendein Fanblog herausposaunt hatte, dass ich ihn besuchen wollte? Sämtliche Eingänge waren komplett verstopft mit heulenden Mädchen und alten Ladies! Wollen Sie wissen, wie ich da reingekommen bin? Über das Dachfenster, jawohl! Noch Fragen, wie ich diesen Kriegszustand finde?“
Natürlich, denn dieser Ausbruch macht der Pressemeute den Lennon-Kampfgeist erst so richtig schmackhaft: „Ist eine Wiedervereinigung der Fab Four geplant?“ Diese Frage ist Lennon jedoch endgültig zu viel: „Nein, nein, nein! Das wissen Sie doch! Seit 40 Jahren wird mir in jedem, ich wiederhole: in jedem Interview diese Frage gestellt. Und jedes Mal lautet die Antwort: Nein. Niemals. Sollen wir uns vielleicht eine schicke Tätowierung ‚Nein, wir wollen das nicht!‘ auf die Stirn machen lassen? Würde das helfen?
Es ist doch nichts dabei… ich schreibe mit meinem alten Kumpel Paul, den ich zufällig mal bei einer Party kennengelernt habe, ein paar Songs. Dann treffe ich meinen noch älteren Kumpel Ringo im Studio. Er hat Lust dazu zu trommeln, also los. Und Georgie-Boy ist auch da, was soll’s? Wenn sie schon da sind und der gute alte George Martin am Mischpult herumspielt, nehmen wir das Ganze vielleicht auf und lassen ein Album draus machen. Aber wir werden nie wieder als Beatles zusammen spielen. Niemals!“
John grinst: „Aber was halten Sie von St. John Johnston & His Jolly Johnnys?“. Er verneigt sich und wirft mit einem lauten Knall das Fenster zu. Kurz darauf erscheinen Sicherheitsleute und bitten die Journalisten, das Grundstück zu verlassen.
Das hätte sein können, wenn… oder auch nicht. Happy Birthday, Please Please Me!