(VÖ 08.03.2013) – Seitdem ich Frontman Ryan Young im letzten Jahr interviewte, kann ich von dieser Band nicht lassen. Ihre Live-Power ist legendär und mit ihrem neuen Album knüpfen die Punkrocker an die Qualität des Vorgängers „In Desolation“ an. Sprich: Pechschwarze Lyrics und beste Pogomucke.
Für alle, die es noch nicht gemrkt haben: Ich liebe diese Band. Ich liebe Punkrock, und Ryan Young ist mit seiner Crew vom ersten Ton an ganz nach vorn an die Spitze meiner persönlichen Band-Hitliste geschossen. Green Day? Pffft. The Offspring, okay, Beatsteaks, egal – ein Song von OWTH und ich habe sie alle vergessen.
Punkrockern wird oft vorgeworfen, dass sie nicht mehr authentisch sind, sobald sie in die Jahre kommen und die Wut der frühen Tage verpufft. Das kann bei OWTH auch nach gut zehn Jahren Bandleben wohl niemand behaupten. Denn wenn Sänger und Songwriter Ryan über den täglichen Kampf mit Depression und tiefschwarzen Gedanken singt, singt, schreit und brüllt er über sein Leben – so authentisch, dass sich mir beim Zuhören das Zwerchfell zusammenzieht. „I thought I’d get older and it’d go away“, so formulierte er 2010 in „Clear The Air“. Und nein, das tut es nicht: „It only gets worse and causes more pain.“
Ryan ist allerdings in der Lage, seinen Lebensschmerz, die Pein und die Hölle im Kopf in Lyrics, Musik und damit in etwas Wertvolles zu übersetzen. Schon bei ihrem letzten Album vor drei Jahren ist es den Amerikanern gelungen, diese Hölle sowie die mächtige Kraft ihrer Live-Auftritte auch im Studio gezielt und überzeugend zu vertonen. Mit „Home“ knüpfen sie (übrigens mit neuem Line-up) daran an: „Home is about the struggles of constantly being on the move, trying to maintain relationships while being away, and not feeling like there is anywhere to go home to anymore“, so sagt Ryan Young selbst.
„Start Walking“ legt mit ordentlich kreischenden Gitarren los und macht klar, dass sich gemütstechnisch nichts verändert hat: „There are no words to describe / The awful feeling I have inside.“ Die Schlaflosigkeit und die alten Verhaltensmuster sind nach wie vor Thema, Ryan ist immer noch hopeless, anygry und anxious – „no matter how hard I try / never felt worse in my whole life.“
Was dabei neu ist: Ryan Young kann singen. Er kann nicht nur seinen Lebensüberdruss und den Schmerz aus rauem Hals herausbrüllen, sondern richtig singen. Das beweist er in „Nightlife“ und noch mehr bei „Don“t Make Me Go“. Letzteres bringt als Ballade auch mal ruhigere Töne mit sich. Ist das noch Punkrock? Ich glaube schon.
Bei „Seek Advice Anywhere“ ist nämlich wieder Schluss mit der Ruhe: „It’s about getting older, and not being ok with it. It’s about how religion can destroy a family. Finally, it is a dedication to anyone who can relate“, sagt Ryan. Mit „Take Me Out“ finden OWTH immerhin musikalisch fast zu fröhlichen Tönen. Vielleicht gibt es ja doch noch Hoffnung – wenn man nur nach Hause findet.
Zur Musik an sich gibt es nicht viel zu sagen – was etwas Gutes ist. Spielereien, überraschende Wendungen oder extrovertierte Soli sucht man hier vergebens. Aber ernsthaft: Sowas will ich von OWTH auch nicht hören. Ich will fette Akkorde, tief aus der Kehle geschürften Gesang – und wie weit Ryan Young selbst sein Gitarrentalent auch unter den Scheffel stellen mag: Tanz- und hörbar ist das allemal. Und für das ein oder andere Solo reicht es obendrein.
„Home“ haut rein. Sowohl, wenn man es als pures Punkrock-Abtanz-Album konsumieren will, und erst recht, wenn man auf die Lyrics hört. OWTH halten die Qualität ihres bisher besten Albums und ich kriege genau das, auf was ich gehofft habe: Einen eloquenten Ausdruck für rabenschwarze Tage. Worte für sonst unaussprechliche innere Qualen. Und fetten Punkrock, um wenigstens die Ohren zu trösten.
Für alle, die Feuer gefangen haben: Es gibt übrigens seit dem letzten Jahr mit „All Things Move Toward Their End“ auch ein zweites Live-Album, sogar mit neuem Songmaterial aus „Home“. In der Soundqualität ist es leider nicht überragend, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, OWTH bald wieder live erleben zu dürfen. Denn wenn eins diese Band ebenso charakterisiert wie Ryans depressive Schlaflosigkeit, dann sind es nun mal ihre Tourhummeln im Arsch.
Bewertung: 4/5
Highlights: Start Walking, Shirts, Nightlife, Don’t Make Me Go