Darf ich vorstellen? Wanda Jackson, The First Lady of Rockabilly and America’s first female Rock and Roll Singer. “Unfinished Business” heißt das aktuelle Album, und dass noch lange nicht Schluss ist, beweist die Queen of Rock auch mit ihren 75 Jahren noch locker aus Hüfte.
Das Bassy – ein kleiner Berliner Kult-Club, ein bisschen Trash, ein bisschen Szeneschrottschick, alles in allem gemütlicher und ein perfekter Ort für Konzerte im intimeren Kreis. In der Schlange stehen Mittvierziger und -fünfziger, mit ihren erwachsenen Kindern, allesamt in umgeschlagenen Jeans, Tolle und Petticoat, während die Mittsiebziger in Collegejacke sich drinnen schon mal ein Plätzchen zu Sitzen suchen. Oder – und das ist beinahe noch schöner anzusehen – mit funkelnden Augen und sich langsam erwärmenden Gelenken eine unerwartet flotte Sohle aufs Parkett legen. Da staunt die Jugend und applaudieren die Zuschauer – alles zusammen schafft ein Gefühl der Zeitreise: Hier sind die gekommen, die Wanda Jackson ein Leben lang kennen und mit ihrer Musik aufgewachsen sind. Vorfreude liegt in der Luft.
Als Vorband kommen Wandas Begleiter Chris Aron & Band aus München quasi „solo“ auf die Bühne – die sich erst mal gar nicht vorstellen, denn schließlich sind sie schon zum vierten Mal mit Wanda Jackson auf Tour, und die meisten hier wissen das wohl. Sie fetzen auf jeden Fall gut, und dem steht der Hüft- und Körperschwung von Frontman Chris in nichts nach.
Im Anschluss wechselt Chris das durchgeschwitzte Hemd und dann wird Wanda Jackson auf die Bühne gebracht: Am Arm ihres Ehemanns, in kleinen Schritten dauert der Weg die Treppe hinunter, durch die Gasse im Publikum, die drei Stufen die Bühne hinauf – aber dann ist die winzige Queen of Rock in ihrem Element.
„I Gotta Know“ ist der erste Song und sie weiß definitiv noch, wie’s geht! Zerbrechlich? Keine Spur. Ihre raue Stimme, ihre Frechheit – all das gibt es noch, nach 58 Jahren ununterbrochener Musikkarriere. Trotzdem scheint die Queen nach so langer Zeit und so viel Erfolg weder abgehoben, noch arrogant. Zwischen den Songs erzählt sie viel von ihrer Geschichte, etwa wie Elvis sie ermutigte, vom Country auf Rockabilly umzusteigen und über die Ehe mit ihrem Mann Wendell (der sie vom Bühnenrand auch nach 51 Jahren keinen Moment aus den Augen lässt). Wenn ihr Zwischenrufe aus dem Publikum zu viel werden, gibt es einen charmanten Rüffel: „Shsh! I’m talking, darling!“ – schließlich gibt es so viel zu erzählen. Über ihre gerade veröffentlichte Scheibe „The Party Ain’t Over“, die sie mit Jack White aufgenommen hat, etwa. Und es gelingt ihr, die Freude über diese Zusammenarbeit, ihre Freude an der Musik an alle im Publikum weiterzugeben, wohin man auch schaut, sieht man in lächelnde Gesichter.
Nur beim Tontechniker nicht, denn als gleich zu Beginn mitten in „Funnel of Love“ das Mikro versagt, droht Wanda ihm nur halb im Scherz: „Don’t worry, I’ve only killed three soundmen…“. Als später noch ein paar Mal Rückkopplungen kreischen, hebt die Grand Dame nur noch den Zeigefinger, und spätestens dann ist klar, dass eine so lange Karriere nicht auf Nachlässigkeiten gegründet wurde.
Aber man muss Wanda Jackson einfach bewundern: Die ganzen anderthalb Stunden hindurch lässt sie kein Zeichen von Müdigkeit erkennen, ihre Haltung ist aufrecht, ihre durch das Alter bedingte Steifheit kaschiert sie gekonnt mit einem Fransenoberteil, das aus jeder noch so kleinen Bewegung eine glamouröse macht, und sie ist immer noch eine schöne Frau. Vor allem, wenn sie strahlt und spitzbübisch kleine Anekdoten erzählt – wie die über Amy Winehouse’s „You Know I’m No Good“, das extra für sie umgeschrieben wurde, „too make it more age appropriate and less sexual explicit“. Oder lächelnd darauf hinweist, dass inzwischen die Band für die wilden Moves zuständig sei. Was die Jungs auch artig demonstrieren.
Es folgen „Rock Your Baby“, „Mean Mean Man“ (das sich seit 1958 unausgesetzt auf ihrer Setlist befindet), „Heartbreack Hotel“ als Tribut an Elvis, das verstaubte „Santo Domingo“ in entzückendem Deutsch, „Hard Headed Woman“, ein paar Titel vom aktuellen „Unfinished Business“ und natürlich auch Tracks von ihrem Album mit Jack White.
Eine sehr private Anekdote darf natürlich auch nicht fehlen – denn wie einige Rock’n’Roller fand Wanda Jackson nach einem Musikerleben „full of sin“ schließlich zu Jesus. Das kann man halten, wie man möchte, der Applaus im Publikum ist etwas verhalten, aber wenn er einer so liebenswerten Frau ein scheinbar so zufriedenes Leben ermöglicht – bravo. Denn Zufriedenheit ist das, was Wanda ausstrahlt.
Am Ende reicht Wendell ihr einen Becher mit heißem Tee, sie dreht sich kurz um – und dann gibt es die Zugabe. Die große Dame des Rock’n’Roll hat es eben nicht nötig, sich minutenlang bitten zu lassen. Das Motto ist schließlich „Let’s Have A Party“. Natürlich. Die ist für Wanda Jackson auch hoffentlich noch lange, lange nicht vorbei: Rock your baby, all night long – and don’t be slow? This party ain’t over. Und dafür muss man sie einfach lieben.