Gerockt, nicht geschüttelt #12: Wenn Musiker sterben, gehört das zum traurigen Lauf der Dinge und in ihren Songs bleiben Lennon & Co. ewig lebendig. Aber was ist eigentlich mit den aktuellen Urgesteinen? Geht aktuelle Musik ohne Die Ärzte? Ohne Robbie Williams? Ohne… Madonna?
Vor zwei Wochen schickte mir ein Freund aus heiterem Himmel den Link zu einem Zeitungsartikel, der über den plötzlichen Tod von Nils Koppruch, Ex-Fink und Co-Mastermind von Kid Kopphausen, berichtete.
Ich will nicht mit dem Ausdruck kokettieren, aber ich war geschockt. Gerade erst war die Band gegründet worden, gerade erst war das Album erschienen und hatte mich in 48 Stunden Dauerschleife über üblen Kummer gerettet, gerade erst hatte ich Kid Kopphausen bei einem der sympathischsten Auftritte meines bisherigen Konzertlebens gesehen, gerade erst hatte ich noch über Nils gesprochen… und jetzt das. Vorbei, aus, mit 46 Jahren.
Natürlich ist er nicht der erste Musiker, der diese Welt verlässt – meine Eltern etwa haben den Abgang des gesamten Club 27 mitgekriegt. Mein Vater weiß genau, was er beim Tod Jim Morrisons tat (Motorrad reparieren), bei Jimi Hendrix (Motorrad reparieren) oder Janis Joplin (Motorrad reparieren); und meine Mutter hat den Moment, als sie vom Mord an John Lennon erfuhr (Spaghetti alle vongole kochen), auch noch parat.
Allesamt große Musiker, Jugendidole – wenn auch für meine Generation bei aller Wertschätzung längst in Himmel und Hölle der Musikgeschichte abgerückt. Aber was ist eigentlich mit unseren Zeitgenossen? Mit denen, die unsere Kindheit und Jugend bestimmt haben?
Als ich im Fernsehen vom Tod Michael Jacksons erfuhr, blieb die Welt einen Moment stehen. Ich war im Fitnessstudio, der Fernseher lief ohne Ton, ich stellte das Laufband ab und fragte das Mädchen neben mir, was mit ihm sei. Sie hatte Tränen in den Augen, und mir steckte ebenfalls ein Kloß in Hals, dabei mochte ich seine Musik nicht mal.
Seltsam. Wir kennen sie gar nicht und noch weniger kennen sie uns. Durch Texte und Melodien berühren sie uns dennoch umso vertrauter, begleiten uns durch die glücklichsten, traurigsten, wütendsten, intimsten Momente – ein Leben ohne Musik? Ohne die, die den Soundtrack zu unserem Lebens geliefert haben, ob man die einzelnen Songs nun hören mochte oder nicht?
Mick Jagger und Keith Richards, Bob Dylan, Bono… nach Paul McCartney kräht abseits von Scheidungskriegen wohl kein Groupie mehr und Nena würde ich jetzt auch nicht direkt vermissen, aber sie haben meine Kindheit ebenso begleitet wie Nina Hagen, The Dubliners (die erst wie die Fliegen am Alkohol sterben und nun langsam in Altersschwäche dahingehen), der unsägliche DJ Bobo und die röhrende Bonnie Tyler.
Und ich so auf die Reihen der Jüngeren schaue… auf den Abgang von Pete Doherty oder Amy Winehouse haben wir schon makabre Wetten abgeschlossen, aber mit ihnen nähert sich das Ende auch langsam der Altersgruppe, ohne deren Stimmen aktuelle Musik unvorstellbar wird: Campino. Farin Urlaub und Bela B. Auch Robbie Williams und Lady Gaga, meinetwegen. Und Madonna?! Wen genau man am wenigsten missen möchte, ist wohl Geschmackssache. Aber alles in allem: unvorstellbar.
„Kirschen gibt’s an Sommertagen nur solang die Bäume tragen/ und lebend gehen wir nicht mehr aus der Welt“ – ein paar Zeilen Koppruch, die eigentlich alles sagen: Die Momente leben weiter in den Songs, und die Songs in den Momenten.
Ein letztes Auf Wiedersehen, Nils. Bye-bye Michael… und ihr Übrigen: Auf viele, viele Jahre! Lasst uns Spendenaktionen starten, damit Keith Richards seine Dialyse-Maschine hat, wenn er sie braucht! Gründet neue Länder, damit Farin Urlaub ewig nicht zu reisen aufhören kann und entwickelt Selbsterneuerungsprogramme für Fräulein Immerjung-Madonna!
Auch wenn Gerüchte ums Ableben im Falle Paul McCartney und seinen nackten Füßen samt ’28 IF‘-Nummernschild auf dem Abbey-Road-Cover sicher auch den Verkauf ankurbeln, und wir uns im Falle Elvis immer noch fragen, ob er nun wirklich das Gebäude verlassen hat: So einfach abhauen? Is‘ nich‘, Freunde!!