Geva Alon, Coolooloosh, Trademark… bis auf “The Voice of Germany”-Kandidatin Sharron Levy sind viele Künstler der Mischpoke-Tour der breiten Masse in Deutschland weitgehend viel zu unbekannt. Aber vielleicht ändert sich das jetzt, verdient hätten sie es.
Die Mischpoke Invasion Tour trägt mit Hilfe der israelischen Botschaft in Berlin, dem israelischen Tourismusverband, dem israelischen Export Institute, dem Israel Trade Center in Berlin und israelischen Außenministeriums auf jeden Fall ihren Teil dazu bei, diesen teils großartigen Künstlern fernab der Heimat eine neue Plattform zu schaffen. Erste Station: Die Berliner Musik Week, genauer: das Bi Nuu im S-Bahnhof Schlesisches Tor. Hier sind neben den bereits genannten auch Rotem Or, Electra, Feel About, Fellidae und Omri Vitis & The Holy Band dabei – volles Programm für einen Konzertabend, auch wenn der – äußerst ungewöhnlich für Berliner Verhältnisse – bereits um 18 Uhr beginnt.
Den Startschuss geben Fellidae – solider Rock mit äußersten präzisem Drumbeat. Ordentlich, gekonnt, nichts Besonderes, aber das dafür verdammt laut. Trotzdem ein Garant für gute Laune im sich nur langsam füllenden Bi Nuu.
Es folgen Coolooloosh und damit bereits mein persönliches Highlight des Abends: Schon mal was von Rotfront gehört, Emmigrantski Raggamuffin mit Klezmer-Einschlag und HipHop, made in Berlin? Ja? Nein? Egal, Cooloolosh sind ihr israelisches Pendant, und haben sich mit ihrem energiegeladenen Genremix aus HipHop, Funk, Balkan-Style und Middle East schon einiges an Erfolg in ihrem Heimatland und auch in der internationalen Musikszene erobert. Yuval Gerstein an der Gitarre, Yogev Shitrit, der an den Drums die Wände wackeln lässt, und nicht zu vergessen: Die mitreißenden Tanzeinlagen von Frontman Rebel Sun. Großartiger Auftritt, tolle Musik, super!
Kurze Umbaupause mit AC/DC aus der Konserve, klar, nichts könnte israelischer sein. Anschließend hat es Rotem Or ganz allein mit ihrem PC (zur Abwechslung mal kein Mac, es lebe das No-Name-Paralleluniversum), ihrer Gitarre und einem Keyboard nicht leicht. Eine gesprochene Einleitung aus anderen Sphären, langsamer Elektro… das Publikum ist nach zwei Rock-Nummern etwas zu aufgekratzt, um diese wirklich schöne Stimme richtig zu würdigen. Am Ende ist auch der Applaus eher verhalten.
Nach einer Dire-Straits-Einlage (ja, auch das ausgesucht landestypisch) folgt Sharron Levy, bekannt aus „The Voice of Germany“. Hm ja. Witzig an ihrem Auftritt ist, dass sich mit ihrem Gitarristen einer mehr aus dem immer noch viel zu spärlichen Publikum nicht als Gast, sondern als Musiker entpuppt. Ansonsten – Levy ist nicht umsonst weit gekommen im Retorten-Showbusiness. Was da raus kommt, ist trotz Heiserkeit glatt einstudiert, und als Levy dann auch noch einen Nena-Song anstimmt, bleibt nur noch das Zitat einer Zuschauerin: „Ich weiß nicht, was schlimmer ist, Sharron Levy oder Sharron Levy, die Nena covert.“ Hm ja. Das diskutiert man lieber vor der Tür aus, und bleibt glatt noch ein paar Minuten länger an der frischen Luft, als sich die Band als nächstes das mittlerweile vielstrapazierte „Somebody I Used To Know“ von Gotye vornimmt.
Aber alles hat ein Ende – und dann folgenden Trademark: Ihr Label handelt sie als Geheimtipp und „die neuen Oasis“, aber das stimmt nicht. Bei Trademark ist um einiges mehr Dampf und Rock’n’Roll dahinter! Ist laut, klingt gut und macht einfach Spaß. So werden die Gehörgange wieder freigespült! Übrigens war der Produzent ihres Debüts „Future Analogue“ kein Geringerer als Nick Sole – bekannt von den Arctic Monkeys, Stereophonics und – natürlich – Oasis. Der Vergleich ist also doch gar nicht so weit hergeholt.
Im Anschluss folgt Geva Alon – für deutsche Ohren ziehen wir kurz den Vergleich mit Eddie Vedder und gehen gleich wieder über zu den tatsächlichen Informationen: Mit seiner Akustikgitarre und mehr noch mit seiner vollen, warmen Stimme gilt Alon als einer der begehrtesten männlichen Künstler Israels. Das ehemalige Gitarrenwunderkind wird in seiner Heimat mit Awards überschüttet und gibt Konzerte vor über 20.000 Leuten. Heute abend spielt er vor 200, vielleicht 300 Leuten auf einer kleinen Bühne mitten in Berlin, aber auch hier kann man sich dem Zauber seiner fliegenden Hände kaum entziehen. Wow. Für mich das inoffizielle Ende des Abends, diese Töne will ich mir heute von keinem Rock, Pop, Elektro Israels mehr aus dem Kopf wischen lassen.
Was ich verpasse, sind: Omri Vitis, Electra und Feel About, bis um 0.30 Uhr auch im Bi Nuu der letzte Vorhang fällt.
Die Mischpoke Invasion zieht von Berlin übrigens noch durch weiter 15 Städte in Deutschland, um am 22.9. auf dem Reeperbahnfestival in Hamburg zu enden. Das Line-Up besteht jeweils aus den fantastischen Coolooloosh, Geva Alon, Trademark und Sharron Levy – in Hamburg gibt’s wieder Unterstützung von 5 weiteren Showacts. Eine volle Dröhnung israelische Lebens- und Musikkunst, quer durch Länder und Genres, nur zu empfehlen.