Gerockt, nicht geschüttelt #7: Statistische Erhebungen darüber, wo sich Paare kennengelernt habe, dürften in 90% der Fälle Tanztee, Disco oder Festival ergeben. Musik verbindet – oder trennt Welten, wenn der eine Part sich die Nächte im Elektroclub um die Ohren schlägt, während der andere am Sonntagvormittag vorm „Frühlingsfest der Volksmusik“ sitzen will.
Wenn man sich im selben Club beim gemeinsamen Lindyhop, Moshen, Pogo, Walzer oder generellen Abrocken begegnet ist, ist aber die Wahrscheinlichkeit groß, dass die jeweiligen musikalischen Vorlieben zumindest eine gemeinsame Schnittmenge finden. Wer jegliche Missverständnisse im Plattenregal von vornherein ausschließen will, kann sich seinen (Tanz-)Partner natürlich auch gleich in einem einschlägig musikfixierten Forum suchen – etwa bei fellody.com.
Wenn dann die Geigen am Himmel synchron tönen, klingeln irgendwann möglicherweise die Hochzeitsglocken ebenfalls im Gleichtakt. Ein guter Grund zur Freude und ein noch besserer Grund, die Feste zu feiern, wie sie fallen. Aber auch hier macht bekanntermaßen nicht nur der Ton die Musik, sondern auch die Musik die Party.
Man nehme eine glückliche Braut plus jede-Menge-Rüschen, einen glücklichen Bräutigam plus brautkleidkonforme Krawatte und eine hetereogene Menge X an amüsiersüchtigen Freunden und Familie. Ganz klassisch wird zuerst „ja“ gesagt, dann Konfetti geworfen, umarmt und beglückwünscht, dann groß geredet, gut gegessen und besser getrunken, noch mehr geredet und noch mehr getrunken. Der erste Teil des Abends ist easy, wenn nur das Essen schmeckt und die Partyspielchen nicht allzu peinlich sind.
Und dann endlich geht es an den bewegten Teil des Abends: Den Startschuss dazu gibt der traditionelle Eröffnungstanz des Brautpaares. In der Regel wird der vom Brautpaar ausgesucht – das manchmal unter mittelgroßen Verständigungskatastrophen mit dem Fazit: „Wie ihr uns kennt, konnten wir uns natürlich nicht einigen, also haben wir zwei Lieder genommen.“ Wenn der Haussegen immer so leicht zu retten ist, wird die Ehe vermutlich glücklich, aber zurück zum Thema. Klassischer Walzer beim ersten Tanz in Ehren – hier kommt meine Top3 der Eröffnungssongs:
1. Peter Fox „Zucker“ (für die innovative Hochzeit)
2. Annett Louisan „Das große Erwachen“ (für die romantische Hochzeit)
3. Metallica „Nothing Else Matters“ (für die hart-aber-herzlich Hochzeit)
Danach entledigt sich der Bräutigam hoffentlich flugs des durchgeschwitzten Jacketts, damit sich alle anwesenden Herren dem folgenden, kollektiven Tanzvergnügen in luftigen Hemdsärmeln widmen können. Nun liegt die Angst vor Stillstand ganz beim DJ (der idealerweise kein Hanswurst mit Papphötsche und automatischem Tusch vom Keyboard sein sollte). Ja, der DJ und seine Setlist – damit wären wir beim wesentlichen Problem.
Bis Mitternacht sind häufig noch ältere Semester anwesend, und Schwiegeropi schwenkt die Braut altersgemäß oft lieber zu „Ganz in Weiß“ rund und rund und rund, statt zu Marilyn Mansons „The White Wedding“. Da sind die weißhaarigen Pre-Hippies oft eigen. Die nachfolgende 68er-Generation ist allerdings auch eher mit „When A Maaaaan Loves A Woman“ und als mit „Coz I Luv You“ von den Onkelz oder „Alles aus Liebe“ von den Toten Hosen zu erfreuen. Was zum Glück auch immer geht und alle Generationen zufrieden im Tanzrausch vereint:
1. AC/DC „Highway To Hell“ (über die hochzeitsbezogene Bedeutung sollte allerdings an dieser Stelle besser nicht nachgedacht werden)
2. Seeed „Ding“ (denn wer das hört, muss swing’n)
3. Queen „We Will Rock You“ (wobei sich Jung & Alt trommelnd in Bodennähe versammelt – nebenbei ein sehr guter Ansatz, um etwaige Berührungsängste einander fremder Gäste rückstandslos zu beseitigen)
Verschiedene Songlisten, abgestimmt auf Anwesende, Uhrzeit und Alkoholpegel – können insgesamt das Schlimmste verhindern. Sonderwünsche anwesender Minderheiten von Balkanbeats bis Death Metal lassen sich getrost in die Morgenstunden verlagern. Wer sich dann noch beschweren kann, darf sich an der hoffentlich gebuchten Getränkeflatrate gütlich tun und seine Abneigung damit im Keim ertränken. Größere Mengen Wodka mit Götterspeisengeschmack etwa lassen einen so klaglos und waldmeisterhaft grausige Liederfolgen von „Move It“ bis zum Best of DJ Bobo überstehen. Ähm. Ja. Habe ich mir zumindest so erzählen lassen.
Wenn die Sonne aufgeht, die Tänzer aller Generationen müde gesteppt nach Hause taumeln und man mit Verlaub bekräftigen kann: Baby, du bist rockbar. Und eine bessere Voraussetzung für eine gemeinsame Zukunft gibt es wohl kaum.