Das hat gebumst, Schnucki!

Gerockt, nicht geschüttelt #3: Schokolade und Klassikkonzerte, „Sounds of Nature“ und Saunagang, Straight Edge und ordentlich headbängen: Musik kann auf viele Arten entspannen. Meine ist nicht grade rühmlich, aber dafür unterhaltsam. Hauptsache, es bumst!

(c) Farina Gerhardt

(c) Farina Gerhardt

Jeder hat so seine eigenen Methoden in Sachen Stressmanagement: Der Berliner Hipster lässt die Hose auf Halbmast baumeln, kauft sich einen Jutebeutel und macht sich ein neues Club Mate auf, der nächste bucht einen Spontanurlaub… und ich? Ja. Also. Es ist peinlich, aber wenn mich der Alltag übermannt, schaue ich gerne 60er-Jahre-Schmonzetten. Werbefrei und mit Musik.

So landete ich kürzlich einmal mehr bei „Wenn die Musik spielt am Wörthersee“ mit Vivi Bach. Die Story: Eine schrille Vierecksgeschichte zwischen einer Musikboxenfabrikanten-Tochter, die eigentlich Sängerin werden will, einem Musikantenfabrikanten-Angestellten, der himmelhochjauchzend in sie verliebt ist, einer Wirtin und dem in ihrer Wirtschaft angestellten Musiker. Als Dreingabe gibt‘s noch eine putzige Verwechslungsgeschichte zwischen Papi, der die Sängerkarriere seiner Tochter mittels  Mädcheninternat verhindern will, und seinem Chauffeur. Wenn das nicht vielversprechender Stoff ist!

Dazu weichgespülten Rock’n’Roll und diese wunderbare Oldschool-Betonung à la „mier“  und „Muh-sick“. Und außerdem so einiges, was man in Photoshopzeiten lange nicht gesehen hat: Schauspielerinnen mit Normalfigur und eingezogenem Bäuchlein. Männer ohne Waschbrett-Muskelbrust, aber dafür mit Brusthaar und Achselhamster. Außerdem Tanztee am helllichten Nachmittag und Technicolor.

Statt Highspeed-Handlung wird einem für die prüden Sixties ganz schön viel freie Liebe geboten. Aber zeitgemäß: Hier rollt niemand feucht knutschend und in Großaufnahme durch die Betten. Stattdessen wird hier und da ein dezenter Vogelkuss mal mit der Tochter, mal mit der Wirtin getauscht. Danach wird sich immer noch höflich gesiezt und die folgende Eifersuchts-Streiterei in einem Schreisatz abgehandelt. Die Versöhnung übrigens auch.

Dafür gibt es allerdings verbale Anspielungen der übelsten Sorte und reihenweise Mädels, die überall im Bikini herumlungern und sich auch schon mal mit kindlichem Überschwang fremden Papis in den Arm werfen. Dazu jede Menge schlappe Witze: „Zuhause rauft sich dein armer Vater die Haare!“ – „Papa hat eine Glatze.“ Dieses Paradoxon der spröden Freizügigkeit amüsiert mich immer wieder sehr.

Über allem liegt dann natürlich Musik. Mein Highlight: „Das siehst du nur bei mir“. Es geht darin um einen jungen Mann, der seiner Dame beweisen möchte, dass er ganz toll einzigartig ist: „Wenn du mich küsst, werd ich rot wie Tomaten am Spalier/ Das siehst du nur bei mir.“ Wo da der erotische Anreiz sein soll… na ja, andere Zeiten – andere Sitten.

Am Ende wird am Wörthersee querbeet geheiratet. Ohne Vorgeplänkel oder Antrag entscheidet sich die Sängerin-Tochter für den Musiker und der Angestellte für die Wirtin und Paps gibt seinen Segen für alles. Zusammengefasst: „Hier hat’s gebumst, Schnucki“ und „That’s ok!“

Nach so viel Moral von der Geschichte bin ich restlos blöde im Kopf und dementsprechend an Geist und Seele gelockert. Von einem Urlaub hat man vermutlich länger etwas und die Hipster in Berlin kriegen vom entspannten Club-Mate-Trinken ohnehin nie genug – mir allerdings reicht’s nach einem Film immer. So etwa für ein halbes Jahr. Dann holt mich der Alltag wieder ein und dann such ich mir eine neue Abartigkeit aus dem Horrorfilm-Kabinett aus.

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