Protected by the blood of Jesus oder Die Bremsenpanne.
An diesem Morgen brechen wir mit 4.30 Uhr alle Frühaufsteherrekorde dieses Urlaubs. Aber wir sind ja in Übung. Anziehen, Sachen packen, Wachmann aufschrecken. Zum Busbahnhof ist es nicht weit, aber auch wenn uns Halifa noch mit der Geduld eines Vaters den Weg aufgemalt und eingeschärft hat, welche Straßen wir am besten nehmen und welche wir besser meiden sollen, nehmen wir doch lieber ein Taxi.
Der Taxifahrer wird also rabiat vom Wachmann aus dem Schlaf gebrüllt und rumpelt uns mit in den Radkästen schleifenden Rädern über die Buckelpisten von Arusha zum Dar Express Office. Noch ein Blick auf die lokale Motorradgäng, die dank irgendeiner Specialdroge niemals schläft. Könnte ja sein, dass mal wieder ein Landrover in den Straßengraben kracht.
Am Busbahnhof sind wir auch diesmal viel zu früh. Außer uns hängen schon einige Leute schlafmüde vor dem Office. Und eine sehr wache, fröhliche Mama Africa, die mit ihren beiden Kindern Tee, Suppe und – natürlich! – Frittiertes an die Wartenden verkauft. Zum Glück haben wir nicht genug Zeit, uns zu überlegen, ob wir nicht doch gern einen mit möglicherweise dubiosem Wasser gekochten Tee oder Kaffee trinken möchte, denn heute ist der Bus pünktlich: Einfahren, Gepäck unterbringen, Türen schließen – und sogar 20 Minuten vor der Zeit losfahren. Wir sind völlig von den Socken und denken kurz an Protest. Was ist aus pole pole geworden?
In diesem Bus dreht es sich offensichtlich nicht so sehr um afrikanische, sondern eher um christliche Grundsätze: THIS VEHICLE IS PROTECTED BY THE BLOOD OF JESUS verkündet ein großer Aufkleber über der Tür. Und daneben hängt ein überdimensionales Jesus-Wackelbild im Goldrahmen. Na, halleluja. Das Blut des Herrn beschützt uns. Ein schöner Gedanke, der aber nur für alle mit gültigen Papieren. Der hinter uns sitzende Chinesen wird bei der ersten Passkontrolle ungeachtet seiner Erklärungen wegen fehlender Papiere aus dem Bus geholt.
Und die Bremsen schützt das heilige Blut offensichtlich auch nicht, denn kurze Zeit später legen wir einen außerplanmäßigen Halt an einer Werkstatt ein. Während ein paar Halbwüchsige in unsere Radkästen krabbeln und die Teile austauschen, machen C. und ich einen kleinen Gang durch den Ort, wobei wir prompt zur Attraktion werden. Denn hier fahren zwar massenweise Busse durch, aber die Mzungus bleiben normalerweise brav sitzen.
Wir haben Glück im Bremsunglück: Nach einer Dreiviertelstunde läuft wieder alles und es geht weiter. Leider ist der Fernseher durch die Bremsenpanne nicht in Mitleidenschaft gezogen und beschallt uns weiterhin mit einer grauenhaften Seifenserie über einen guten Mann und seine schlampige Frau. Die Handlung allein wäre zu ignorieren, die Musik nicht. Auch nicht, als die Serie endlich vorbei ist und die DVD gegen Musikvideos der wohl hässlichsten Band Afrikas (bonbonfarbene Trainingsanzüge, großgeblümte Hawaiihemden und Hackfressen mit Supersize-Hüftspeck) ausgetauscht wird. Wir versuchen, so viel wie möglich zu schlafen.
Was uns im Gegensatz zum Unterhaltungsprogramm zunächst erfreut, ist die Umweltpolitik unseres Busbegleiters. Denn anstatt der üblichen Wozu-hat-man-Fenster-Einstellung gemäß von der Aluverpackung bis zur vollgekackten Windel alles raus zu pfeffern, steht hier ein Karton im Mittelgang, in dem tatsächlich ein Großteil an Müll landet. Wie vorbildlich!
Zumindest zunächst. Und dann… dann fahren wir über eine malerische Schlucht mit Palmen und niedlich gewundenem Flüsschen. Die vordere Tür fliegt auf, der Karton hinaus – prima, immerhin der Bus ist sauber.
Nach 12 Stunden kommen wir mit klingelnden Ohren endlich in Dar an. Am Busbahnhof handeln wir den Taxifahrer kurzerhand von 40.000 auf 20.000 Tsh herunter, was er mit brummeligem Gesicht akzeptiert. In seinem Taxi umhüllt uns brüllender Tanzania Pop, und es braucht nur ein, zwei Tanzbewegungen unsererseits, dann ist die saure Miene verschwunden und wir seine besten Freunde. Musik ist eben dicker als Geld.
Das letzte Abenteuer oder Tickets für die Fähre.
Zurück im vertrauten Kibodya würden wir uns am liebsten nur noch langlegen, aber bald wird es dunkel. Und wir brauchen dringend noch die Tickets für die Fähre nach Sansibar, die wir am nächsten Morgen nehmen wollen. Also aufgerafft und losmarschiert. Zum Glück ist der Hafen in Laufnähe zum Kibodya.
Vor den Büros schnappt gleich der erste der herumlungernden Schlepper zu und schneller als wir es uns versehen, sind wir durch einen V.I.P.-Eingang auf eine wunderschöne, palmenwedelüberdachte Terrasse direkt über dem Hafenbecken verfrachtet.Wir sitzen auf Korbmöbeln, die Sonne geht unter und es wäre schön, sich hier auszuruhen. Aber wie ein Office sieht das hier nicht aus. Und Tickets soll man nur im Office kaufen. Sagt der Reiseführer.
Der Typ von der Fähre benimmt sich auch reichlich seltsam. Erst ist alles kein Problem. Dann wird alles zum Problem: Die Tickets kosten 10 Dollar mehr als der Reiseführer sagt. Dann will er erst Geld und behält die Tickets in der Hand. Plötzlich hat von uns ausgesuchte 7-Uhr-Fähre nur noch Plätze im VIP-Bereich (die noch teurer sind), dann ist auf einmal nur noch die 9-Uhr-Fähre zu haben. Erst will er unsere Pässe (die noch im Hotel sind), dann brauchen wir sie doch nicht… Und nachdem er uns noch aufklärt, dass deutsche Frauen hier „dodo“ (reife Mango) genannt werden, haut C. mit der ihr eigenen liebenswürdigen Power auf den Tisch und verlangt unser Geld zurück. Was wir trotz beleidigter Ehre auch umstandslos bekommen. Bloß weg hier.
Und ab in die Arme des nächsten zahnlosen Schleppers. Der immerhin zerrt uns zu einer Halle, die mit Computern, uniformiertem Personal und Abfahrtstafel immerhin wie ein richtiges Office aussieht. Er wartet vor der Tür, während wir ins klimatisierte Innere verschwinden und von freundlichem Personal begrüßt werden. Wir bekommen unsere Tickets. 7 Uhr, Economy, Reiseführerpreis. Besorgt werden wir angewiesen, dem Zahnlosen bloß kein Geld zu geben. Wir wimmeln den Dentalbeschädigten mit freundlich, aber nachdrücklich und mehrfach wiederholtem „hakuna matata!“, kein Problem ab, kaufen eine Tüte Frittiertes fürs Abendessen und fallen endlich ins Bett.
Der letzte Gedanke vorm Einschlafen: Am ersten Morgen auf Sansibar stellen wir aber mal keinen Wecker, ja? Nein, das machen wir nicht. Schlaf gut!