Die Ärzte – Auch.

(VÖ 13.04.2012) Fünf Jahre ist es her, dass „Jazz ist anders“ herauskam – Zeit für ein neues Ärzte-Album! Und anders als andere deutsche Punkbands – ungenannt bleibende natürlich, hust – spielen die Berliner entspannt mit Klischees und haben es nicht nötig, sich auch nur für 5 Pfennig ernst zu nehmen. Klingt gut – und manchmal etwas zu bekannt.

Die Ärzte - Auch

Die Ärzte – Auch

Die Verpackung allein genügt schon, um die Vorfreude auf „Auch“ anzuheizen: Nach der Pizzaschachtelumhüllung des Vorgängers und der knatschblauen Plüschtasche von „Unsichtbarer“ haben sich EsgibtnureinenGott diesmal für eine Aufmachung als Gesellschaftsspiel entschieden. Die Kiste im gemütlich angeranzten Vintage-Look enthält u.a. einen bunten Spielplan für ein Würfelspiel – mit Aufgaben wie „Sei Punkrock. Trinke das älteste Getränk aus deinem Kühlschrank auf ex.“ und „Koche in 10 Minuten ein Essen für deine Mitspieler.“ Auf der Rückseite befinden sich alle Songtexte – Mitsingen ist ebenfalls Punkrock – und ein paar schicke Fotos von Ihro Gottheiten BelaFarinRod.

Und Musik gibt’s natürlich auch! Auch wenn man das vor Begeisterung über die netten Gimmicks beinahe vergisst. „Läuft’s? Herrlich!“ Mit diesem Zitat wird eröffnet und genau das geht einem durch den Kopf, wenn die ersten Takte von „Ist das noch Punkrock?“ gewaltig gitarrenlastig durch die Boxen dröhnen. Die Ärzte drehen gutgelaunt alle Klischees vom ernsthaften Punk durch den Fleischwolf und landen bei den Sinnfragen jeder Subkultur. Kurz gesagt: Coolnessfaktor vs. Gartentraktor. Was passiert, wenn die Ideale Mainstream werden? Ist das dann noch Punkrock? „Ich glaube nicht“, so lautet die Antwort, aber die Ärzte sch…eren sich nicht drum. „M-mh.“

Was auf diesem 12. Ärzte-Album danach folgt, ist ein wahrer Anti-Zug durch Kultur und Gesellschaft: „Bettmagnet“ verteufelt die Generation Blöd-TV, „Das darfst du“ ruft auf zu allgemeinem Protest und Nicht-mit-mir-Haltung, und „Cpt. Metal“ kämpft höchst tanzbar gegen Pop und Retortenmukke. Dazu gibt es ein paar Songs, die einem wie gute Neuauflagen bereits bekannter Stücke vorkommen – so erinnert etwa „Tamagotchi“ an den Generationenkonflikt von „Junge“, „M&F“ an eine Zwei-Geschlechter-Version von „Ein Schwein namens Männer“ und „Cpt. Metal“ an eine Abwandlung des „Unrockbar“-Themas. Außerdem zelebriert „Fiasko“ eine neue Folge von Farins Flirtaversion, und „Miststück“ einmal mehr Trennungswutschmerz à la Bela.

Dazwischen ein paar musikalisch und textlich nicht allzu überragende Stücke wie „Sohn der Leere“, „Angekumpelt“ oder „Die Hard“. Als Trostpflaster mögen hier die Videos dienen, die bereits zu allen 16 Songs jeweils als Performance und als Animation produziert wurden.

Am schönsten sind an „Auch“ die Songs, in denen die Ärzte sich – und ihre Fans – gekonnt und voller Ironie durch den Kakao ziehen: Bei „TCR“ degradieren sich die Herren Urlaub & Co. zur „musikalischen Begleitung“, zu Lieferanten für „schöne Melodien“ und „niveautechnische Grenzwertunterschreitung“. Sie kümmern sich eben um den Rock, und gleiten dabei mühelos vom Punk zum Rockabilly, von Ska zum Reggae und einmal quer durch die musikalische Weltgeschichte. Bis wir alle auf- und abspringen und dabei dasselbe Lied singen, yeah!

In dieselbe Kerbe schlägt auch das letzte Stück, das vorab ausgekoppelte „Zeidverschwändung“: „Es gibt so viel schöne neue Musik, hast du nichts Besseres zu tun als die Ärzte zu hören?“ Ähm. Nö. Ich glaube nicht. Zumindest nicht, solange Punkrock noch mit knapp 50 so klingt.

Ach so: Apropos Punkrock. Ist das jetzt noch welcher oder nicht? Eine klare Antwort gibt es nicht. Aber einen gutgelaunten Mittelfinger ins Antlitz aller Zweifler. „Auch“ kann mit seinem Vorgänger durchaus mithalten, und bietet Amüsement ohne Rücksicht auf Verluste und festgefahrene Meinungen. Wenn das dann trotz mutmaßlicher Chartplatzierung nicht doch ein bisschen Punkrock ist.

Soweit die gute Nachricht. Die Schlechte ist, dass das Management der Ärzte zum ersten Mal in der Bandhistorie eine offizielle Schaffenspause ankündigt. Autsch. Rente ist definitiv nicht Punk.

Bewertung: 4/5
Highlights: Ist das noch Punkrock, TCR, Cpt. Metal

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