Auch 24 Stunden nach dem Misfits-Konzert lässt die vorübergehende Sprach- und Gehörlosigkeit nur langsam nach. Denn die kommt dabei heraus, wenn ein Tontechniker zwar der größte Fan der Band, aber seines Handwerks scheinbar alles andere als mächtig ist.
Der C-Club am Columbiadamm ist zu Konzertbeginn nicht gerade überfüllt, was unnatürlich erscheint, denn immerhin sind Misfits eigentlich die Punk-Kultband schlechthin. Aber wenn man bedenkt, dass vom charismatischen Original gerade noch Bassist Jerry Only übrig ist, wird es auch wieder verständlich. Trotzdem – im Publikum finden sich so einige Stirnsträhnenträger und natürlich Crimson Ghosts in allen Formen und Größen.
Vorweg gibt es erst einmal drei Vorbands: Die Ersten sind NuuMak aus Italien als Frühe-Korn-Soundalike. Es folgt eine namenslose Rockröhre im Glitzerkleid – entweder „Beretta Suicide“ oder (wahrscheinlicher) „The Shiver“. Name und Gesang bleiben unverständlich, denn hier gibt die Tontechnik zum ersten Mal eine Kostprobe von dem, was sie (nicht) kann.
JuiceheaD als dritte Vorband ist dagegen eine absolute Offenbarung, was sowohl die Soundqualität als auch den Sound selbst angeht: Handfester Punkrock, treibende Rhythmen, kräftiger Bass, gute Riffs und dazu der wohl glücklichste Frontman aller Zeiten. Da macht nicht nur das Zuhören, sondern auch das Zuschauen richtig Spaß, denn die lebhafte Mimik und der offensichtliche Frohsinn von Rob Vannice sind extrem ansteckend. Um kurz Werbung zu machen: Das neue Album „How To Sail A Sinking Ship“ ist für alle Freunde des soliden Rocks nur zu empfehlen! Als Einheizer waren JuiceheaD allemal großartig.
Die angestaute Vorfreude verpufft bei den ersten Missklängen der Misfits allerdings ruck-zuck. Die Lightshow ist und bleibt ausgefeilt, Jerry Onlys und Gitarrist Dez Cadenas Horrorpunk-Make-up kommt samt Nietenstachelmachtel und martialischer Frisur wirklich bestens zur Geltung… aber der Ton ist so schlecht abgemischt, dass einzelne Songs komplett dem Soundbrei zum Opfer fallen.
Nach anfänglicher Freude steht sogar den Hardcore-Fans regelrechte Enttäuschung ins Gesicht geschrieben, die mit viel gutem Willen und so einigen Extra-Bieren erst allmählich zur „scheiß was drauf, das sind immer noch die Misfits!“ gemildert werden kann.
Aber wenn viele Songs erst und auch dann nur mühsam anhand des Textes identifizierbar sind, ist das einfach nur traurig. Und das liegt nicht an der Band: Jerry Only ist zwar nicht bestens bei Stimme und dass ihm die melodische Tragweite von Glenn Danzig fehlt, steht sowieso außer Frage, aber der Schweiß fließt trotzdem und beim letzten Track fliegen ihm die reißenden Basssaiten nur so um die Ohren.
Dem Tontechniker liegt scheinbar auch eine Menge an den Misfits. Immerhin ist er die ganze Show über damit beschäftigt, in sein eigenes Mikro zu singen und… WTF!? In sein eigenes Mikro zu singen?! Wo gibt’s denn so was? Muss wohl ein echter Misfits-Freak sein! Ein Freak, von dem es auf Nachfrage auch keine Setlist abzustauben gab (auch wenn man dort wenigstens gern nachgelesen hätte, was man hätte hören sollen), denn er hat „alle Tracks im Kopf“. Ja, toll, dann hat er wohl auch den richtigen Klang nur im Kopf – im Saal ist davon jedenfalls wenig bis nichts zu hören.
Dementsprechend rudimentär hier die Schätzung der gespielten Songs: „She“ war dabei, „American Psycho“, „Dig Up Her Bones“, „Die Die My Darling“, „Skulls“, „Halloween“, „Scream“, „The Monkey’s Paw“, „Hatebreeders“ und „Helena“ ebenso.
Zur Zugabe „Descending Angel“ schält sich Jerry Only sogar aus seinem Graf Dracula-Mantel, zeigt für sein Alter einen bemerkenswerten Sixpack und lässt sich zum Abschied bei einem Bad in der Menge noch einmal richtig feiern. So wird zumindest den Misfits selbst der inakzeptable Sound verziehen.
Bilanz des Abends: Ein Tourplakat mehr für die Sammlung und die Erkenntnis, dass ein einzelner Tontechniker einfach alles versauen kann – alles, bis auf die Stimmung.