(VÖ 18.11.11) Die vier Kanadier von Nickelback veröffentlichen in diesen Tagen ihr siebtes Album – und alles bleibt wie gehabt. Gewissermaßen klingt das Ganze wie ein Schnelldurchlauf von „The State“ bis „Dark Horse“, denn von zart bis hart hat man hier alles versammelt. Knarzige Gitarren, One-for-all-Drumbeat und Chad Kroeger. Nur die Glanzstücke à la „How You Remind Me“ fehlen.
Wer zu Nickelback greift, der weiß spätestens seit dem Vorgänger „Dark Horse“, was er bekommt: Nämlich ganz ordentlichen, wohnzimmertauglichen Rock. Da macht auch das neuste Werk der vier Kandier keine Ausnahme. Mit den bereits veröffentlichten Singles „Bottoms Up“ und „When We Stand Together“ bekam man ja schon mal einen Vorgeschmack: Ersteres ist ein recht rockiger Song über den gepflegten Umtrunk mit den Kumpels. Mit schön knarzigen Gitarren und einem eingängigen Rhythmus, das passt schon. Besonders, wenn man bereits selbst das eine oder andere Bier intus hat. Das deutlich sanftere „When We Stand Together“ wird es auf dem Weg ins Radio vergleichweise leichter gehabt haben: Man nehme einen gesellschaftskritischen Text – Welthunger und Gewalt sind böse! – und lege obendrauf eine lockerleichte Melodie mit Akustikgitarren und poppigem „Yeaaaah“-Chorus. Fertig ist das Highlight für den wilden Teil des Kindergeburtstags! Oder der Guten-Morgen-Song für den Durchschnittsradiohörer.
Aber vorn angefangen: „This Is War“ ist die Kriegserklärung an die Ex-Frau – quasi die Fortsetzung der großen Trennung „Should’ve Listened“ von „The Long Road“ – und knallt dementsprechend. Bei den ersten Takten „Midnight Queen“ hingegen kommt einem unweigerlich „See You At The Show“ quer, aber wer würde so eine Frau nicht gern bei (oder nach?) der Show treffen? „She’s gonna lick my pistol clean/ (…) Doesn’t want a lollipop/ But she sure loves a sucker.“ Na, hallo! Auf jeden Fall einer der Songs, bei denen unweigerlich der Kopf mitwippt. „Gotto Get Me Some“ liefert anschließend den passenden, dreckigen Sound für „danach“.
Und dann wird’s mit „Lullaby“ zappenduster. Sowohl textlich – dieser zuckersüße Popsong ist eine ausgewiesene Anti-Selbstmord-Kampagne – als auch melodisch: Das ist einfach mal komplett abgelutschter 08/15-Kuschelrock. Wenn man sich die Bemerkung erlauben darf: Dieser wohl radiotauglichste Song des ganzen Albums jagt bei jedem Hören kalte Mainstream-Schauer über den Rücken. Während die Fußspitzen gleichzeitig zwanghaft mitwippen. Ziemlich scary, das.
„Kiss It Goodbye“ räumt damit zum Glück wieder ein bisschen auf. Gute-Laune-Rhythmus von der Gitarren-Fraktion, tanztauglich und auch sonst einfach angenehm zu hören. Über den nachfolgenden Softkuschelpop „Trying Not To Love You“ verliert man besser kein überflüssiges Wort und „Holding On To Heaven“ rutscht wie seinerzeit „Gotta Be Somebody“ ebenso nebenwirkungslos durch die Gehörgänge. Aber dann! Dann kommt „Everything I Wanna Do“ und damit einer der „Here and Now“-Favouriten: Ein wunderschönes Liebeslied, das der Zensur ein Schnippchen schlägt („You and me/ Sitting in a tree/ F-U-C-K-I-N-G“) und damit den Text-Bonuspunkt für Originalität kassiert – darf ja auch bei keinem Nickelback-Album fehlen.
Zum Abschluss hätten es die Kroeger-Brüder & Co. mit diesem tollen Song echt gut sein lassen können. Mit etlichen Platinalben gilt Nickelback als eine der erfolgreichsten Rockbands der Welt und der letzte Track „Don’t Ever Let It End“ mag vielleicht ein frommer Wunsch bezüglich Erfolg gewesen sein, aber dieses eher schlappe Stück lässt den Hörer dann doch das Gegenteil hoffen.
Alles in allem: Hörbar. Keine Knaller, aber genau das, was zu erwarten war. Ein paar ordentliche Stücke dabei und zum Background-Soundtrack für Sofaabende taugt es allemal. Aber für das Pausenkonzert beim Footballmatch wird’s wohl auch mit diesem Album nicht reichen.
Bewertung: 3/5
Highlights: Midnight Queen, Kiss It Goodbye, Everything I Wanna Do